Meinereiner und ich
Vor kurzem las ich einen GEOArtikel aus dem Jahre 2002. Sein Thema: „Einsamkeit“. Über 16 Seiten wird ausführlich darüber berichtet, was Einsamkeit vom Alleinsein unterscheidet, welche „Einsamkeitstypen“ es gibt, warum alte Menschen gerne alleine sind, was es mit den Gemeinsamkeiten von Ratten und Menschen auf sich hat, warum sich buddhistische Mönche absichtlich in die Abgeschiedenheit flüchten und wieso sich viele Menschen heutzutage eine Auszeit wünschen. Ganz kurz kommen auch „junge Leute“ vor. Jugendliche in der Pubertät und StudentInnen. Jedoch reicht dieses Kapitel nicht mal über eine Seite.

Sind junge Menschen also nicht einsam? Anscheinend doch: „Jungen Menschen fällt das Alleinsein besonders schwer. Mit der Pubertät beginnt die Suche nach Identität und Lebenssinn. Gleichaltrige werden zum wichtigsten Maßstab für den Selbstwert.“ Aha. Noch besser: „Allein zu sein fällt besonders Jugendlichen schwer – vor allem am Wochenende, wie amerikanische Wissenschaftler mithilfe aufwändiger Messungen festgestellt haben.“ Amerikanische Wissenschaftler. Na, dann. Wenn sie meinen, dass man dafür „aufwändige Messungen“ braucht.
Man muss sich doch nur mal am Wochenende, wenn man so wahnsinnig war das Haus abends zu verlassen, umschauen, wie viele Menschen unterwegs sind. Oder nur mal versuchen, Freunde freitags nach 20 Uhr auf dem Festnetz zu erreichen. Wenn man am Wochenende keine Verabredung aufweisen kann, wird ziemlich schnell gemunkelt, dass doch irgendetwas nicht stimmt. Liebeskummer, Stress und Depressionen, um nur einige Vermutungen zu nennen, mit denen man sich gegebenenfalls auseinandersetzen muss.
Bestimmt jedeR hat mindestens schon einmal in seinem Leben ein solches Wochenende verbracht. Zuhause, alleine. Aber wer kann von sich behaupten, sich (ignorieren wir nun einmal das „Zusammensein“ via Internet) nicht in irgendeiner Weise einsam gefühlt zu haben? Aber ist das so schlimm? Kann der Mensch nicht auch ab und zu einsam sein?

Lonesome Cowboy

Ein paar „Menschengruppen“, die ebenfalls im GEO-Artikel erwähnt werden, ziehen sogar ihr größtes Potential aus der frei gewählten Einsamkeit: Mönche und, um sie grob und allseits beliebt zusammenzufassen, Künstler. Beide Gruppen ziehen sich bewusst zurück, um sich selbst und ihrem Innersten am Nächsten zu sein. Welch große Werke sind in totaler Abgeschiedenheit von der restlichen Welt entstanden! Welche Weisheiten wurden in einsamer Versenkung entdeckt!
Warum also ist Einsamkeit, besonders bei uns jungen Leuten, so verpönt?
In Zeiten der allgemeinen Vernetzung ist es sowieso ein wenig kompliziert von der vollkommener „Einsamkeit“ zu sprechen. In Null Komma Nix kann man sich heutzutage schließlich ein Kaffeekränzchen via Webcam einrichten. Und schwups: weg ist das „Alleinsein“. Gleichsam wird man aber auch als einsam abgestempelt, wenn man eben erwähntes „Beisammensein“ allzu oft bevorzugt. Wer nur vor dem Rechner hängt, gehört nicht gerade zu den geselligsten Menschen.

Zu zweit einsam

Genauso wenig, wie es der GEO–Artikel schafft, zu einem wirklichen Entschluss zu kommen, für was man denn nun Einsamkeit braucht, kann man den Begriff an sich klar negativ oder positiv definieren. Alleinsein, ohne es zu wollen, kann zu einem stark negativen Gefühl führen, sich jedoch in bestimmten Situationen als positiv auszahlen. Nach einer Trennung will man nicht unbedingt alleine sein, kann daraus aber im Endeffekt großen Nutzen ziehen (Selbstreflexion).
Wo zieht mal also die Grenze zwischen Alleinsein, Einsamkeit und Isolation? Fortsetzung folgt …
aw

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