Systemische Weihnachten mit Niklas Luhmann
Er ist in vollem Gang – der Run auf die (virtuelle) Warenwelt. Auch ihr werdet wahrscheinlich mittlerweile dem bevorstehendem Konsumgütertausch zum Opfer (ge)fallen sein. Noch immer eine Ideenleere, worüber sich die Liebsten freuen, hilflos im Trubel so kurz vor der Mehrwertsteuererhöhung vor ausverkauften Regalen gestanden, und auch die virtuellen Warenhäuser verfügen derzeit nur über ein eingeschränktes Sortiment? Was soll ich dem/der kleinen Bruder/Schwester schenken, der/die zum WS ihr Studium aufgenommen hat bzw. zum SoSe aufnehmen wird? Oder geht es eher um eure eigene Genügsamkeit? Vielleicht gehört ihr zu den Exemplaren, die einfach wunschlos glücklich sind und die schenkfreudigen Verwandten damit in den Wahnsinn treiben?!
Wie wäre es dann mit unterhaltsamer Uni-Literatur? Vielleicht nicht gerade quadratisch, aber dennoch: praktisch, gut.
Auch im Jahre 2006 zählt Niklas Luhmann, ehedem Professor der Soziologie und Lehrstuhlinhaber der Universität Bielefeld, noch immer zu den bedeutendsten Soziologen des 20. Jahrhunderts – der zeitlebens durch Stellungnahmen zu zeittypischen Phänomenen überrascht hat.
Mit seiner letzten Vorlesung „Einführung in die Theorie der Gesellschaft“, gehalten an der Universität Bielefeld 1998, verfolgte Luhmann das Ziel, eine schlüssige Theorie der modernen Gesellschaft zu präsentieren.  Dies stellt seine letzte Vorlesung dar, bevor er im November 1998 an Krebs verstarb.
 Hierzu unterteilte er seine „Einführung in die Theorie der Gesellschaft“ in fünf zentrale thematische Schwerpunkte: 1. die Gesellschaft als soziales System, 2. die Rolle der Kommunikationsmedien, 3. den Bereich der Evolution, 4. Differenzierung und 5. Selbstbeschreibung der modernen Gesellschaft.
Um herauszustellen, inwiefern sich die moderne Gesellschaft von traditionellen Kulturen und deren Strukturen unterscheidet, führt Luhmann zunächst einen Vergleich von der Heutigen und Gesellschaften vor mindestens 500 Jahren. Zur Beschreibung und Charakterisierung der Gesellschaft, wie sie heute existiert, greift Luhmann auf der Soziologie bis dato fremde Begriffe der Biologie sowie der System-, Kommunikations- und Informationstheorie zurück. Diese in seine Theorie eingewobenen Fachtermini veranschaulicht Luhmann jeweils an konkreten Beispielen aus der (Finanz)-Politik und Medienwelt. Dies macht es dem/der LeserIn leicht, seine Gedankengänge nachzuvollziehen.
Eine besondere Berücksichtigung erfährt in diesem Zusammenhang die Rolle der Medien, die untereinander vernetzt sind. Sie sind der Filter zwischen dem Ereignis selbst und den EmpfängerInnen. Das, was wir heute über die Gesellschaft wissen, wissen wir vor allem aus den Medien, betont Luhmann. Um herauszustellen, wie sehr diese das moderne Leben bestimmen, beschränkt er den Terminus des „Mediums“ nicht allein auf die Massenmedien, sondern greift ihn weiter: So ist es doch in erster Linie das Geld als Tauschmedium, welches das Leben mit dem Zweck der Existenzsicherung heute determiniert.
Fazit: Da die „Einführung in die Theorie der Gesellschaft“ ein in Buchform veröffentlichtes Vorlesungsskript darstellt und daher auch sehr flüssig zu lesen ist, amüsiert den/die aufmerksameN LeserIn vor allem die Tatsache, dass Luhmann wiederholt betont, dass es sich um eine Vorlesung handelt.
Ein interessanter, gut lesbarer Klassiker, und nicht nur für SozialwissenschaftlerInnen geeignet, da die Thematik JedeN EinzelneN von uns betrifft. Schließlich besteht nach Luhmann die Gesellschaft aus Kommunikation und dieses Buch stellt eine davon dar, die es lohnt, verstanden zu werden.
jbö
Niklas Luhmann:
Einführung in die Theorie der Gesellschaft
29,95 Euro, Carl-Auer Verlag
Fachliteratur Sozialwissenschaften
ISBN: 3-89670-477-X
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