Zu Beginn eine ansonsten leere abgedunkelte Bühne voller Stühle. Die spärlichen Requisiten könnten auch als Kulisse der gleichnamigen Farce des Rumänischen Dramatikers Eugène Ionesco dienen. Ein Chor aus dem Bühnenhintergrund skandiert eine später leitmotivisch wiederkehrende Kakophonie wilder Währungsumrechnungen quer durch Zeit und Raum, die sich über das Publikum ergießt. Dann Stille, zeitweilig durchschnitten nur von der Reporterstimme aus dem Off (Jeldrik Mühl). Auf einem Sitzmöbel thront der Kaffeehaus-Patron Ridolfo (Konrad Karl-Schilde) und studiert die Financial Times – mit aktuellem Aufmacher zum „Terror in Mumbay“. Um ihn herum entspinnt sich ein groteskes tiefbürgerliches Ränkespiel um Geld und Macht – über den scheinbar sozial Deklassierten Diener Trappolo (Frank Wedig) und die in Zeiten des Prekariats in die Prostitution hinabsinkenden Frauen in der Kaffeehaus-Gesellschaft. Â
Monetärer und emotionaler Verfall
Ein zentrales Motiv der Bühnenhandlung verkommt im Verlauf des Stückes zum leeren Symbol sinnentleerter Dinglichkeit angesichts geradezu inflationär ausufernder Verstrickungen zwischen den einzelnen Akteuren: Der spielsüchtige Eugenio (Max Ammareller) versetzt die goldenen, juwelenbesetzten Ohrringe für 11 Zechinen („das sind 51 Dollar…“). Ausgerechnet Kaffeehausdiener Trappolo löst sie aus, und als sie schließlich wieder in die Hände der anfänglich erzürnten Ehefrau (Anna Zygiel) gelangen, scheinen diese für sie angesichts der durch exorbitant anwachsende wechselseitige Verschuldung und zunehmend brüchige Paarrelationen in der erodierenden spätbürgerlichen Gesellschaft kaum mehr von Bedeutung zu sein. Der Versuch, das überkommene Beziehungsgeflecht wiederherzustellen, ist genauso zum Scheitern verurteilt wie der wahnwitzige Versuch, etwa eine von galoppierender Inflation heimgesuchte Währung durch verzweifelte Bemühungen, das längst unerreichbar gewordene wirtschaftskonservative Ideal einer Golddeckung zu realisieren.
Kapitalcasinosatire
Den Gegenwartsbezug der Bühnensatire hebt Regieassistentin Christiane Holtschulte hervor: „Das Theaterstück – und damit auch der Stoff von Goldoni – ist aktueller denn je. Als wir im Januar Premiere hatten, hat man noch nicht viel von der Finanzkrise gesehen. Aber gerade durch die ständigen Geldumrechnungen und Spekulationen um Geldgeschäfte, die reflexartig von den Figuren auf der Bühne immer wieder eingeworfen werden, zeigt das Stück ein satirisches Bild der momentanen Situation.“ Zur aktuellen Inszenierung führt sie weiter aus: „Ein Schwerpunkt unserer Probenarbeit war es, den Sprachwitz herauszuarbeiten. Hinter der Fassade der Sprache versuchen die Protagonisten ihre persönlichen Interessen hintenrum durchzusetzen. Was sich in großem Maßstab in der Finanzkrise manifestiert, wird im Kaffeehaus durch das intrigante Ränkespiel der Akteure abgebildet.“ Angereichert mit „Tanzchoreographien“ und ergänzt um „die neue Figur einer Sängerin“ (Maxi Freitag – ausgezeichnet!) setzt die Inszenierung darüber hinaus ganz eigene künstlerische Akzente, welche die ansonsten sehr dialoglastige Struktur des Stückes insbesondere zum Ende hin auflockern und bereichern. Auch die übrigen AkteuerInnen (Alina Stöteknuel, Oliver Thomas, Marcel Reidock und Cem Öztas) zeigten eine gute schauspielerische Leistung. Weitere Projekte der Theatergruppe Gegendruck dürfen mit Spannung und Vorfreude erwartet werden.  Â
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www.theater-gegendruck.de
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