Den Auftakt markierte eine junge Theatergruppe mit ihrem „Gleis 3“ betitelten Stück und stellte mit engagiertem Spiel das sinnlose Warten auf einen Intercity nach Berlin dar, der am Ende ausfällt: Eine Geschäftsfrau im dunkelblauen Hosenanzug trifft dabei auf zwei reisende Kapitalismus-Kritiker mit Gitarre und Holzfällerhemd, um alternative Lebensweisen ringend und zu Akzeptanz nicht bereit – herausragend: Jania Kudaibergen als freiheitsliebende Gitarrespielerin und Katharina Ritter als Abenteurerin. Voller Emotionen monologisieren die Wartenden über ihr Dasein, kehren dabei ihr Innerstes nach außen, teilen geheime Ängste mit und scheuen sich nicht, von erlebten Niederlagen zu berichten. Hierbei prallen jedoch auch verschiedene Lebensentwürfe aufeinander: Gemeinsam ist den ProtagonistInnen allein das am Ende in einem Zornesausbruch kulminierende sinnlose Warten auf den niemals eintreffenden Zug in die Hauptstadt…
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Noch einen großen Schritt weiter Richtung absurdes Theater à la Samuel Becketts „Endspiel“ geht dann das von Christian Peitzmeier geschriebene und inszenierte Kurzdrama „Weltenbrand“: Angesichts des kurz bevorstehenden Endes der Welt proben zwei Schauspieler (Fynn Zinapold und Raymond Dudzinski als Atze und Udo vom „Theater C2PQ“) die Geschichte vom Mörder Gottes, der ausgeschickt wurde, um die Menschheit zu rächen. Zwischen ernsthaftem Pathos und ironischer Brechung changierend, probt das Duo die Apokalypse als (fast) gelassenen Abgesang auf den Planeten, in dessen finalem Bühnengang die Welt in einer alten Kiste beerdigt wird. Ein Drama, das trotz des Abgesangs auf die Menschheit die Leidenschaft für das Theater in den Vordergrund stellt und durch den zurückhaltenden Gestus und die perfekte Sprachführung von Raymond Dudzinski sowie die symphatische und gekonnte Darstellung des Dilettanten Atze durch Fynn Zinapold eine eigene Qualität gewinnt. Die letzten 20 Minuten der Menschheit vergehen wie im Fluge: Ein kluges und mitreißendes Stück Theater, bei dem Beklemmung und Lachen ganz nah beieinander liegen. Das sehenswerte Kurzstück, dessen bedeutungsschwerer Binnentext geschickt mit der komödiantischen Rahmenhandlung verklammert ist, wird am Ende mit einem warmen Applaus belohnt.
Nach der durch Pianomusik und Schattenspiele aufgelockerten Umbaupause bietet das Impro-Theater „Unisex I“ ein weiteres Highlight des Abends: Die Gruppe um Elisabeth Zwingmann rockt spielwütig und begeisternd das Haus. Die vier schwarzgekleideten Frauen brennen ein Feuerwerk der guten Laune ab, jonglieren in kurzen Szenen charmant mit den Einfällen des Publikums, und es entstehen großartige Dialoge. Alle vier meistern die ihnen von den ZuschauerInnen gestellten Aufgaben mit großem Spielwitz und werden mit begeistertem Applaus belohnt. Da capo!
Den experimentellen Abschluss der beiden gelungenen Theaterabende bilden jeweils Performer vom Projekt „Gegenstrom“ sowie Akteure vom Verein für Begegnungs- und Straßenkultur „University meets Querenburg“ (UmQ) beim Happening „Upside down – inside out and round and round“ von Philipp Unger. Im Stil und in der Tradition des Hip Hop werden Armut, Lokalpatriotismus, Zukunftshoffnung und Zukunftspessimismus auf der Bühne gegenübergestellt. Drei Generationen zelebrieren hierbei gemeinsam eine widersprüchliche Kunstwirklichkeit: Versuche aus dem Elend herauszukommen und mittels künstlerischer (Selbst‑)Darstellung Mensch zu bleiben und Würde zu wahren, drehen sich vor allem um das Motiv, Geld zu erbetteln und dafür Kunst zu bieten – um am Schluss doch auf den freien Eintritt zu verweisen… Aber nicht alles konnte bei der Performance wie eigentlich gedacht ablaufen. So berichtet einer der Akteure: „Leider konnte diese Mischung aus Mediencollage, Theater und Party aufgrund von Vorgaben des Musischen Zentrums nicht so wie ursprünglich geplant durchgeführt werden. Dennoch ließ sich das verbliebene Rumpfensemble dadurch nicht die Laune vermiesen. Sah das Ergebnis auch an beiden Abenden komplett anders aus, so hatten doch die ZuschauerInnen ihren Spaß an der improvisierten Reise über die Petscheltbrücke rund um Hiphop, Philosophie, höheren Blödsinn und die Buchstaben an der Kunstsammlung der RUB.“
Insgesamt ein sehr gelungener Abend zwischen ungebrochener Wiedergabe persönlicher Lebenserfahrung und Kunstproduktion auf zuweilen hohem Niveau!
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