Was haben Superman, Anne Frank, Papst Johannes Paul II, Rudi Dutschke, Hermann der Cherusker, Kommissar Schimanski, Che Guevara, Pipi Langstrumpf, Mutter Theresa, Muhammed Ali, Lassie, Homer Simpson, Helmut Rhan, Alice Schwarzer und Ghandi gemeinsam? Zunächst einmal hängen sie alle in der Eingangshalle der Henrichshütte Hattingen und laden zum Besuch der Helden-Ausstellung ein. Zum anderen sind sie alle, zu ihrer Zeit und in ihrer Gesellschaftsgruppe Helden.
Jede Zeit hat ihre Helden
Die Ausstellung beginnt mit der Frage: Wer macht Helden und warum? Um diese Frage beantworten zu können, wird der Besucher in die Antike entführt. Hier war ein Held, wer außergewöhnliche Taten vollbrachte. Er wurde als „Heros“ verehrt. Die Heldenverehrung war geboren. Dem wohl bekanntesten Helden der Antike sind dann auch die ersten Ausstellungstücke gewidmet: Herkules. Auf Vasen, Münzen und als kleine Statuetten kann man seine zwölf Heldentaten bewundern. Angelehnt an ihn definiert Homer dann auch die wichtigsten Eigenschaften eines Helden: Ehrgefühl, Ruhm und Respekt.
Helden des Christentums
In chronologischer Reihenfolge führt die Ausstellung weiter ins christlich dominierte Mittelalter. Hier galten andere Werte, die sich auch auf die Helden der Zeit auswirkten. Mit Jesus als Vorbild waren Helden im Mittelalter auf einmal für ihre Opferbereitschaft, ihre Leidensfähigkeit und ihren Einsatz für Mitmenschen bekannt. Heilige waren die Helden ihrer Zeit. Auch Ritter wurden verehrt. Die Ideale, die sie in den Augen der Bevölkerung zu Helden machten, waren Mildtätigkeit, Gerechtigkeit und Treue. Diese Ansprüche der einfachen Bevölkerung an ihre Helden, zu denen sie aufblicken konnten, erklärte sich aus der Lebenssituation der meisten Menschen: Sie waren der Willkür der Herrscher und den Mächten der Natur schutz- und hilflos ausgeliefert. Ein Heiliger, zu dem sie aufblicken und auf den sie hoffen konnten, bot Orientierung in einer so trostlosen Zeit. Besonders eindrucksvoll zeigt die Ausstellung hier eine lebensgroße Skulptur des Heiligen Georg von 1450, der gegen einen Drachen kämpft.
Der germanische Held
Die Ausstellung zeigt aber auch, dass es bereits im 13. Jahrhundert den klassischen germanischen Helden gab. Siegfried wurde schon damals für seine Tapferkeit und seine Stärke in einem der wohl berühmtesten Heldenlieder besungen: dem Nibelungenlied.
Die Idee, Menschen für Geschick im Kampf zu loben, sollte sich lange fortsetzten. Im 19. Jahrhundert versuchten Staaten ganz bewusst, ihr Bild mit Helden aufzupolieren. Der Heldenkult im deutschen Kaiserreich beispielsweise sollte die Konflikte zwischen Klassen, Parteien und Konfessionen vergessen machen und möglichst viele Menschen unter dem Kaiser vereinen. Als Helden wurden natürlich Kaiser Wilhelm I. und Reichskanzler Otto von Bismarck hervorgehoben, aber auch Hermann der Cherusker und Siegfried sollten das Volk daran erinnern, welche glorreiche Vergangenheit sie alle teilten.
Auch vor den dunklen Kapiteln der Weltkriege macht die Ausstellung nicht halt. Sie zeigt, dass jeder Krieg am besten funktioniert, wenn der einfache Soldat seinen Helden nacheifert. Im zweiten Weltkrieg wurde der Heldentod endgültig zum höchsten Ziel eines Soldaten erklärt. In Kriegszeiten sieht man am deutlichsten, dass „Held sein“ eindeutig vom Standpunkt des Betrachters abhängt. Die Ausstellung zeigt Eiserne Kreuze die belegen, wie sehr die Idee des Helden für eine bestimmte Propaganda genutzt werden kann, um das Denken der Menschen zu beeinflussen, genauso wie Bilder von Schindler und Stauffenberg.
Medien machen Helden
Ein wichtiger Aspekt des Heldenkultes der Neuzeit beginnt schon in den Weltkriegen: Die Medien entscheiden, wer zum Helden wird und wer nicht. Wenn die Medien sich erstmal ihren Helden gemacht haben, dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Politiker versuchen, sie für ihre Zwecke zu gewinnen. Die „Helden von Bern“ sind da wohl das beste Beispiel. Die Ausstellung zeigt eine Bronzestatuette von Helmut Rahn, dem Rot-Weiß-Essen Spieler, der entscheidend am Sieg der deutschen Nationalmannschaft im Finale der Fußballweltmeisterschaft 1954 beteiligt war. Hier verpassen die Macher der Ausstellung es nicht, darauf hinzuweisen, dass die Sporthelden von heute anders zu sehen sind als die Helden der Antike. Sie sind keine nationalen Sinnstifter mehr, sondern globale Idole. Sport ist heute nur noch ein Anlass, um neue Heldengeschichten zu schreiben.
Helden der Arbeit
Auch die Helden des Sozialismus haben einen Platz in der Henrichshütte Hattingen gefunden. Der extra für die Zwecke der osteuropäischen Staaten erfundene, und von den Staatsoberhäuptern beworbene „Held der Arbeit“ sollte die Übererfüllung der Planziele für den Fortschritt des Sozialismus als höchstes Ideal vertreten. Propagandaplakate und Urkunden zeigen auch hier sehr deutlich, dass die Tendenz des Menschen sich Helden zu suchen, von der Obrigkeit gerne und oft sehr erfolgreich für Ihre Zwecke ausgenutzt wird.
Helden können fliegen
Natürlich fehlt auch der Standardheld unserer Zeit nicht: Superman! Anhand vieler Comics kann man sehen, dass sich ein Held mit seiner Zeit und ihrer Gesellschaft immer weiter entwickelt. Heute bedienen der Comic, der Film und auch das Computerspiel die Bedürfnisse nach gemeinschaftlicher Identität. Da die Medien sich mit der Gesellschaft wandeln, verändert sich auch das Bild des modernen Helden immer weiter, nur abschaffen wird die Gesellschaft ihre Helden nie. Das hat diese Ausstellung gezeigt. Ebenso wie die Tatsache, dass Helden mit Vorsicht zu genießen sind. Eine wirklich überaus sehenswerte Ausstellung, die zum Nachdenken anregt über ein Thema, das so wesentlich vielschichtiger ist, als man zu Anfang glauben mag.
Industriemuseum
Henrichshütte Hattingen
www.helden-ausstellung.de
www.lwl-industriemuseum.de
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