Bild:

Ausgehend vom „Knuts“, einer kleinen Kreativ-Kneipe in der Wiesenstraße, welche sich für einen Monat in der Innenstadt eingerichtet hat, begann ein Abend ganz nach dem Geschmack der Theaterfans. Als Eintrittskarte fungierte eine sogenannte Theatertasse, mit welcher man sich auch am Glühweinstand bedienen konnte.
Die Erwartungen wurden mehr als übertroffen. „1500 Leute haben die Theaternacht besucht“, schätzt Waldemar Riedel, einer der Verantwortlichen aus dem Team der Kulturinitiative Stellwerk.  Zusammen  mit seinen  Partnern Philip Asshauer und dem Schauspieler Gabriel Schunck organisierte er bereits 2010  die erste Auflage des Events. Damals kamen knapp 400 Leute, die diesjährige Veranstaltung übertraf also die Erwartungen bei Weitem.

SchauspielerInnen aus ganz Deutschland

Die sechs verschiedenen Aufführungen konnten indes nicht von allen besucht werden. Wer nicht schnell genug war, stand zeitweise nur vor dem Laden, da die Plätze begrenzt waren. Da half nur, dem Klebeband zu folgen und sich ein anderes Stück auszusuchen. Und das Angebot konnte sich sehen lassen: Die Freiburger „Off-the-Record“ –Gruppe führte das „Deep-Space“-Musical „Triologie des selben Fehlers“ auf. Die Schauspielschule Hannover entsendete einen kompletten Schauspielkurs, der am frühen Abend die Inszenierung „Stückwerke“ beitrug. Aus Essen beteiligten sich SchauspielerInnen unter der Regie Carola Brühns vom „Transilvania Trash Theatre“. Gabriel Schunck aus Witten zeigte „2 Brüder“.
Auch zwei Regisseure aus Bochum  beteiligten sich. Der ehemalige Leiter des Rottstraße 5 Theaters, Arne Nobel, zeigte „S. – Requiem für Sylvia Plath“. Hans Dreher, ebenso Regisseur und Leiter der Bochumer Off-Bühne, zog mit Dostojewskis „Traum eines lächerlichen Menschen“ die Gäste in seinen Bann.

Was kommt nach der Testphase?

Man kann also von einem vollen Erfolg sprechen. Und doch, die Räume des Kunstquartiers Knuts wurden direkt am  nächsten Tag wieder geräumt. Das „Nachtasyl II. Akt“, wie das Projekt heißt, war nämlich der krönende Abschluss eines Monats voller Workshops, Kreativkurse und vielem  mehr. „Das Projekt beinhaltet eine Testphase und eine Bauphase“, erklärt Waldemar Riedel. „Jetzt ist die Testphase zu Ende und wir haben die zweite Phase beantragt. Wir warten auf die Entscheidung.“ Im Umfeld des Stellwerk-Teams gibt man  sich angesichts des überwältigenden Erfolgs zuversichtlich.

Das mit 16.000 Euro vom Land  NRW geförderte Projekt soll, wenn es nach Philip Asshauer geht, in Zukunft noch größer werden. Asshauer denkt laut über eine Expansion des „Nachtasyls“ nach. „Es wäre doch toll, wenn wir Nachtasyl in Bochum, Dortmund, Essen und Witten parallel oder nacheinander laufen lassen könnten“, so Asshauer gegenüber der WAZ. Man werde schauen, inwiefern dies realisierbar sei.

Bereicherung für Wittens Kultur-Szene

Doch von Stagnation kann keine Rede sein. „Am 8. und 9. Dezember veranstalten wir ein Singer-Songwriter-Festival im ehemaligen Café Leye in der Bahnhofstraße“, verrät Waldemar Riedel. Auch in Zukunft wird Witten also eine Adresse für Kunst- und Kulturbegeisterte bleiben. Im Sommer hatte das Stellwerk-Team bereits mit der ebenfalls sehr erfolgreichen „Kultur-Nische“ einen Hinterhof in der Wittener Innenstadt bezogen. Dort gab es täglich ab 16 Uhr ein breites Angebot. Im „Open-Air Wohnzimmer“ fanden zahlreiche Ausstellungen statt, Grillabende wurden veranstaltet und Konzerte gespielt. Das Stellwerk-Team versteht also sein Handwerk. Es hat geschafft, was in Witten unmöglich schien: Neben dem Kulturzentrum Werkstadt gab es praktisch kein ähnlich erfolgreiches Kulturangebot in Witten, was auch über die Stadtgrenzen hinaus mobilisieren konnte. Dort durfte auch Waldemar Riedel seine Erfahrungen sammeln. Als Leiter des zur Werkstadt gehörenden „Treff“ konnte er mit Veranstaltungen experimentieren. Auch dort fanden (und finden unter neuer Leitung) die unterschiedlichsten Veranstaltungen statt. Neben Konzerten regionaler Bands gab es dort Vorträge, Lesungen, aber auch eher Ungewöhnliches wie einen Französisch-Stammtisch.

„Wir arbeiten noch daran, dass wir in der Wiesenstraße bleiben können“, sagt Riedel. „Wir können zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nichts Genaueres sagen“. Zu wünschen wäre es dem Stellwerk. Die Lage in der Innenstadt ist ideal. In der alternativ geprägten Straße befinden sich ein ebenso alternatives Wohnprojekt sowie eine der traditionsreichsten Szenekneipen. Außerdem läuft man nur knapp fünf Minuten zum Hauptbahnhof. Wie es weitergeht, ist also noch offen. Klar ist aber, dass die Projektreihen der StellwerkerInnen  eine enorme Bereicherung für das kulturell eher verschlafene Witten darstellen.

0 comments

You must be logged in to post a comment.