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Ilter Rezan wurde 1960 in Dersim, einer Stadt im Nordwesten Kurdistans geboren. Weil die türkische Regierung versucht hat, kurdischsprachige Kommunikation zu verbieten, befürchteten die betroffenen Menschen, mit dem Verbot ihrer Muttersprache auch ein Stück ihrer Kultur zu verlieren. Dass sie auf ihre Sprache verzichten sollten, bedeutete für sie auch, einen grundlegenden Teil ihrer Existenz entbehren zu müssen. Rezan blieb der künstlerische Ausdruck. Nur diesen empfand er noch als authentisch und klar. „Jede Sprache drückt eine spezielle Perspektive des menschlichen Geistes aus“, so Rezan. „Sie ist der Weg, um eine unverstellte Kultur zu zeigen“, sagt er.

Von Freiburg nach Venedig

Die künstlerische Arbeit nimmt einen Großteil seines Lebens ein und wurde massiv durch einige schockierende Schlüsselerlebnisse beeinflusst. Weil er sah, wie ein Soldat besonders gewalttätig gegen einen anderen Soldaten vorging, entschied sich Rezan, nicht zum Militär zu gehen. Als er 20 Jahre alt war, floh er schließlich nach Deutschland, wo er nach einem langwierigen Asylverfahren im Jahre 1990 ein vierjähriges Studium in Freiburg aufnahm. Mithilfe von Zeichnungen, Fotografien und Malerei verlieh er dem, was in ihm arbeitete, künstlerischen Ausdruck. Darüber hinaus experimentierte er mit verschiedenen Mischtechniken. Bei der 53. Internationalen Kunstausstellung in Venedig war der frühere Offenburger schließlich angetreten, um sein Heimatland Kurdistan auch künstlerisch zu vertreten.

Zum Zwiegespräch im Zugabteil

In den Jahren von 1995 bis 2000 hatte Rezan auf regelmäßigen Zugfahrten von Süddeutschland nach NRW beeindruckende Graphitzeichnungen geschaffen. Zufällig Mitreisende, Landschaften, Städte und Traumsequenzen trafen sich mit Rezan zum Zwiegespräch im Zugabteil.  Diese hielt er mithilfe eines Skizzenbuchs fest, das er auf seinen Fahrten immer dabei hatte. Unter dem Titel „Noahs Söhne“ zeigte er dann erstmals eine große Auswahl dieser Bilder im Freien Kunst Territorium in Bochum. Rezan kündigte im Zuge dessen auch eine eigene Ausstellung für „Noahs Töchter“ an. In der ersten Ausstellung zu diesem Thema behandelte Rezan das Gefühl des Gefangenseins, Gewalterfahrungen und Einsamkeit.Immer wieder schob er auch bruchstückhaft Erinnerungen aus der eigenen Biografie in diese szenische Sammlung ein.

Was kam nach der Flut?

Getragen wurde die Auswahl dabei von der Frage, was eigentlich aus Noahs Söhnen geworden ist. Noah hatte die Arche gebaut, um seine Kinder vor einer Katastrophe, ihrer Vernichtung zu bewahren. Ob es geglückt ist, bleibt für Rezan fraglich. „Wir warten noch immer und haben Hoffnungen“, sagt Rezan. Gefangensein ist für ihn nicht gleichbedeutend mit einem äußeren Verhältnis, einem wirklichen Gefängnis. Wer innerlich gefangen ist, fühlt sich ähnlich eingesperrt und unfrei. Für Rezan besitzt die Frage nach Noahs Söhnen daher eine Art universeller, zeitloser Relevanz. Seit 2008 lebt Ilter Rezan in Bochum.

Am 20. November lädt er zur Vernissage ins Bochumer Café Ferdinand (Ferdinandstraße 44). Unter dem Titel „Mitarbeiter des Monats und zwei abstrakte Bilder“ zeigt der Künstler ab Sonntag um 18 Uhr einige großformatige Werke.

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