„In diesem Jahr haben sich die Regisseurinnen wieder verstärkt Frauenfiguren gewidmet, um die herum sie Geschichten von gesellschaftlicher Relevanz entwickeln. Die Krise im Großen spiegelt sich in ganz privaten, emotionalen Herausforderungen und Abgründen. Themen wie Einsamkeit, Perspektivlosigkeit und Gewalt spielen eine große Rolle“, so klingt zumindest die Einschätzung der Festival-MacherInnen. Vier Sektionen rahmen, was filmschaffende Frauen aus der ganzen Welt zwischen Zoom und Schnitt an weiblichen Perspektiven erarbeitet haben. Mit dabei sind Debüts und aktuelle Lesben-, Queer- und Transgenderfilme. Der Länderschwerpunkt „What’s going on“ liegt erstmals auf einer ganzen Region, der arabischen Welt. Besonders in dieser Kategorie werden Highlights von historischer Sonderstellung zu sehen sein.
Kein Zurück
„München – Teheran“ ist der Titel des Beitrags von Narges Shaid Kalhory. Sie ist die Tochter des ranghöchsten Kulturberaters von Mahmud Ahmadinedschad und legt im Rahmen des Festivals einen dokumentarischen Zusammenschnitt aus Webcam-Material vor. Zu sehen sind private Bilder aus Teheran. Freunde und Familie filmen Orte, die Shaid Kalhory vorerst nicht mehr direkt erleben können wird, da sie nicht mehr einfach in den Iran zurückkehren kann. Aufsehen hatte sie 2009 mit ihrem Kurzfilm „Die Egge“ erregt, als sie aus dem Iran zum Internationalen Nürnberger Filmfestival der Menschenrechte gekommen war. Sie hat mittlerweile Asyl in Deutschland erhalten und studiert an der Hochschule für Fernsehen und Film München.
Als Prostituierte im Krieg
Andere Beiträge blicken nicht auf die Zukunft, sondern in die Vergangenheit: Die in Frankreich aufgewachsene Dalila Ennadre hat mit „I loved so much“ einen Dokumentarfilm über ihr Heimatland vorgelegt, der mit einer einzigartigen Geschichte dem Erbe der marokkanischen Kolonialzeit nachspürt. Er wurde zudem 2008 mit dem Preis für die beste Dokumentation beim African Cinema Festival in Tarifa ausgezeichnet. Die Protagonistin ist mittlerweile 75 Jahre alt und war als angestellte Prostituierte zusammen mit den französischen Soldaten in den Indochinakrieg gezogen. Für sich und ihre Adoptivsöhne verdient sie heute ihr Geld mit Betteln. Darüber hinaus kämpft sie noch immer darum, von Frankreich als Kriegsveteranin anerkannt zu werden.
Was verboten war
Ein Film, der sowohl in Köln als auch Dortmund zu sehen sein wird, ist „Forbidden (Mamnou’a)“ von Amal Ramsis. Hierbei handelt es sich insofern um eine besonders bemerkenswerte Dokumentation, als dass sie letztlich zum historischen Gedächtnis für die letzten Tage vor der Revolution in Ägypten geworden ist. „Als ich mit dem Drehen von ‚Forbidden‘ begann, lebten wir noch in einer Diktatur, die fast alle politischen Rechte und Aktivitäten verbot. Die Polizei und die repressive Staatsicherheit kontrollierten das ganze Land. Das Wort „Forbidden“ war allgegenwärtig. Nichtsdestotrotz gab es eine ziemlich starke gesellschaftliche und politische Bewegung und genau das wollte ich mit meinem Film zeigen“, so die ägyptische Filmemacherin.
Wo man Gott noch fürchtet
Ebenfalls im Dortmunder U zu sehen ist der Spielfilm „Spanien“ von Anja Salomonowitz, mit dem sie sich der spanischen Asylpolitik widmet. Sie sagt über ihren Beitrag: „Seit 1985 gab es in Spanien sieben ‚Legalisierungswellen‘. Illegalisierte Menschen können dabei zum Amt gehen und sich legal melden. Die Legalisierung verschafft den ‚papierlosen‘ Ausländern rechtliche Sicherheit, aber auch Zugang zu Sozialleistungen und Bildung. Der spanische Staat verspricht sich davon Sozialabgaben und Steuern. Im Film fragt der Priester Sava: ‚Und warum wollen Sie unbedingt nach Spanien?‘ Und daher kommt dann Savas Antwort: ‚Die Menschen dort fürchten noch Gott. Wo man Gott fürchtet, kann man gut leben.‘ Er meint nichts Religiöses, er meint schlicht das Asylrecht.“ Ein Thema, das aktuell auch für die EU-Politik von besonderer Relevanz ist. Nicht nur aufgrund der erst kürzlich im Mittelmeer ertrunkenen Flüchtlinge.
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