Für die junge Generation im frühen 21. Jahrhundert ist es kaum noch vorstellbar, dass die Unterdrückung der Frau in den Gesetzen der frühen Bundesrepublik noch fest verankert war. Zu reaktionär, zu unmenschlich wirkt es, dass Frauen in einem „freien Land“ ihren Männern sexuell verpflichtet waren. Eine Vergewaltigung innerhalb einer Ehe war somit gesetzlich unmöglich – in der Praxis jedoch in vielen Haushalten grausame Realität. Zwar sah das Grundgesetz von 1949 bereits die Gleichberechtigung von Mann und Frau vor; die einzelnen Gesetze, die diese wichtige Grundlage sichern sollten, stammten aber oftmals noch aus Vorkriegsjahren und demonstrierten eindrucksvoll männliche Ignoranz.
Papier und Realität
Das Gleichberechtigungsgesetz brachte der weiblichen Bevölkerung erhebliche rechtliche Verbesserungen, die jedoch erst im Laufe der Jahre weiter ausgebaut wurden. Denn selbst bei einer so grundlegenden Frage gab es große Differenzen im Bundestag, weshalb das Gesetz an vielen Kompromissen krankte. Diese fehlende Bereitschaft vieler Männer, Frauen tatsächlich gleiche Rechte zuzubilligen, zeigte sich auch weiterhin in der Gesellschaft und so war das ohnehin schon diesen Namen nicht verdienende Gleichberechtigungsgesetz in vielen Fällen ein zahnloser Tiger. Zwar wurden massiver Unterdrückung die Grundlagen endlich genommen, tatsächliche Gleichberechtigung (vor dem Gesetz sowie gesellschaftlich) wurde jedoch vor 50 Jahren nicht geschaffen.
Erst die Befreiungsbewegungen in den Sechzigern veränderten langsam das gesellschaftliche Klima und erschlossen den Weg für weitere Gesetzesänderungen und die Schaffung einer menschlichen Gesellschaft, wo zuvor eine männliche Gesellschaft geherrscht hatte. Trotz großer Fortschritte steht aber auch die heutige Generation vor großen Aufgaben, um Geschlechtergerechtigkeit weiter umzusetzen. Noch immer verdienen Frauen bei gleicher Stellung deutlich weniger als ihre männlichen Kollegen und sehen sich seit einiger Zeit auch wieder verstärkt dem Druck ausgesetzt, ihrer Rolle als Mutter nicht gerecht werden zu können, wenn sie mit derselben Selbstverständlichkeit wie Männer eine Karriere anstreben. Gerechtigkeit ist kein natürlicher Zustand, der bloß gesetzlich manifestiert werden muss. Sie muss immer wieder – zum Wohle aller Menschen – erkämpft werden. Vor dieser Aufgabe kann sich keine Generation verstecken.
jk
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