Bild: Vor allem Hunde werden für den perfekten Post oft mit Accessoires versehen. Das gefällt jedoch nicht jedem Vierbeiner., levi

Hach, wie süß! Auch ich lasse mich schnell von putzigen Tiervideos in ihren Bann ziehen. Wem allerdings wirklich etwas an Tierwohl liegt, sollte von bestimmten Accounts lieber die Finger lassen.

Das wohl berühmteste Eichhörnchen der Welt, Peanut, wurde gegen den Willen seines Halters eingeschläfert. Die Instagram-Community trauert mit ihm, denn Peanut hatte dort mehr als 600.000 Follower. Wenige Tage zuvor war das Tier von der Umweltschutzbehörde im Ort Pine City im US-Bundesstaat New York beschlagnahmt worden. Laut „New York Times“ hatten die Beamt:innen auf Berichte über illegale Wildtierhaltung als Haustier reagiert. Es ist tragisch und schmerzt, dass Peanut anschließend für einen Tollwuttest eingeschläfert wurde – ein Stich ins Herz, den sicher viele Haustierhalter:innen nachvollziehen können.

Auch wenn Peanuts Fall möglicherweise gar kein Beispiel von Tierquälerei war, so bringt er dennoch ein allgemeines Problem in den Fokus: die Haltung von (Wild-)Tieren für niedlichen Social Media Content. Während einige Menschen sich mit Kompetenz sorgsam um ihre tierischen Freunde kümmern, gibt es Fälle, in denen sie unter ungeeigneten Bedingungen für Klicks und Likes eingesetzt werden.

Habt Ihr schon einmal die ach so süßen Aufnahmen von flauschigen Mini-Hunden gesehen, die meist überzüchtete Teacup-Pudel oder Malteser sind? In diesen Videos werden die Hunde „verwöhnt“, oft mit fragwürdigen Wellness-Behandlungen: Nach einem Schaumbad in Duschgel – das für die Hundehaut und den pH-Wert absolut ungeeignet ist (und nein, Babyduschgel ist nicht besser) – werden die Pfoten aufwendig gereinigt, Gurkenscheiben auf die Augen gelegt und zahlreiche Pfotenbalsame aufgetragen. Dabei sieht der Hund auf den ersten Blick aus, als würde er zufrieden grinsen, doch dies ist in Wahrheit oft ein Stresssignal, das lediglich wie ein menschliches Lächeln aussieht. Auch Anzeichen wie Lecken über den Mund, Gähnen und Hecheln sind klare Stresssignale, die Laien meist gar nicht als solche deuten. Ja, die meisten Hunde werden es sicher gut wegstecken, wenn man ihnen für ein kurzes Foto mal einen süßen Haarreif oder Ähnliches aufsetzt. Aber Beauty-Programme sind bei Vierbeinern wirklich fehl am Platz.

Ein eindeutiges Warnsignal sind außerdem Instagram-Videos, in denen Tiger, Bären oder andere Wildtiere in einem Wohnzimmer-Setting zu sehen sind. Nicht selten führt illegaler Wildtierhandel dazu, dass solche ungeeigneten Haustiere angeschafft werden. Sie dienen dann als Geldquelle, werden jedoch unter nicht-artgerechten Bedingungen gehalten.
Und was mir wichtig ist zu betonen: Nur, weil ein Tier in einem kurzen Clip spielt, ist es nicht gesund oder zufrieden. Oft klammern sich die Tiere an jede Art von Beschäftigung, die es für sie gibt.

Vorsicht gilt jedoch auch bei Accounts bekannter Institutionen: Das Baby Zwergnilpferd Toni ist der neueste Star des Berliner Zoos und seinem Instagram Account. Und ich muss zugeben, auch ich habe mich zunächst in den süßen unbeholfenen Kulleraugen verloren. Zwar kenne ich mich nicht gut mit den Bedürfnissen von Nilpferden aus, jedoch werden Zoos allgemein oft dafür kritisiert, mehr auf Profit als auf Tierwohl zu setzen. Daher sollte man sich grundsätzlich zweimal überlegen, ob man Zoos per se unterstützen möchte — trotz all der Aufmerksamkeit und dem Hype in den sozialen Medien.

Auch dem gehypten Peanut wurden regelmäßig Hüte aufgesetzt und zuckerhaltige Leckereien in die Händchen gedrückt. Zugegeben, vielen anderen Tieren geht es in der Haltung deutlich schlechter. Doch Peanuts Beispiel zeigt, dass viele Menschen vergessen haben, wie ein artgerechtes Leben für ein Wildtier wirklich aussieht.
So ist die Verdauung eines Tieres anders als die eines Menschen, und mögliche Komplikationen werden natürlich nicht für Social Media abgelichtet. Und ja, Peanut wurden, soweit ich weiß, keine Dornenkronen sondern nur kleine Hüte aufgesetzt. Möglicherweise war er sogar absolut entspannt dabei. Trotzdem sollte man im Hinterkopf behalten, dass Tiere das Konzept von Kleidung nicht verstehen und daher viele das Gewicht eines Kleidungsstücks auf ihrem Körper als bedrohlich empfinden könnten. Das kennen zum Beispiel viele Hundebesitzer:innen, die ihre Hunde im tiefsten Winter in einen Mantel stecken müssen – mein eigener Hund empfindet dies leider als sehr unangenehm und beängstigend. Vielleicht hat ja Euer Haustier absolut kein Problem damit. Aber könnt Ihr das auch bei einem fremden Tier oder Wildtier auf Social Media mit Sicherheit sagen? Man sollte dabei nicht vergessen, dass Tier-Accounts oft mit Tricks arbeiten, um ihr Tier als besonders zufrieden und entspannt darzustellen. Videoaufnahmen können einfach mehrfach wiederholt und Tiere mit Bestrafungen zur Kooperation genötigt werden. Oft kann es helfen, einen Account etwas genauer zu betrachten, um sich einen Eindruck von der Haltung des Tieres zu machen.
Hat das Tier Auslauf oder ein artgerecht eingerichtetes Gehege? Oder besteht der Feed nur aus Aufnahmen des Tieres in künstlich induzierten Situationen? Wenn es kaum um den Alltag des Tieres als solches geht, sondern eher darum, wie man es als Puppe drapiert, kann dies ein erstes Warnzeichen für eine nicht-artgerechte Haltung sein.

Abschließend möchte ich noch einmal bedauern, dass Peanut als Wildtier durch staatliche Intervention eigentlich gerettet werden sollte. Gleichzeitig endete die Aktion damit, dass er eingeschläfert werden musste. Anders als oft online behauptet, ist die Tötung eines Tieres allerdings meist notwendig, um eine Tollwutinfektion sicher ausschließen zu können. Dafür muss Gehirngewebe entnommen werden. Das Tier hatte zuvor eine Mitarbeiterin gebissen, deren Leben bei einer möglichen Ansteckung gefährdet gewesen wäre. Die Frage, ob man den Biss nicht hätte verhindern können, stelle ich mir natürlich auch, aber sie lässt sich nun leider nicht mehr beantworten. Überdies bin ich der Auffassung, dass es aus Tierschutzgründen grundsätzlich wichtig ist, bei der Haltung von Wildtieren als Haustiere staatlich zu intervenieren. Ich erinnere nochmal an alle (Wild-)Tiere, die durch Social Media zu Tode geknipst, oder auch einfach nur gestresst werden. Nicht-artgerechte Haltung muss schließlich nicht immer direkt zum Tod führen. Sie kann unglaublich leicht übersehen werden. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf überlegt man vielleicht doch zweimal, bevor man bei bestimmten Posts auf „Gefällt mir“ klickt.

:Levinia Holtz

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