Für den Sieg in der Kategorie „beste Drama Serie“ des deutschen Fernsehpreises 2024 hat es am Ende nicht gereicht. Warum die Prime Video Serie „Maxton Hall – Die Welt zwischen uns“ dennoch sehenswert ist.
Maxton Hall erfüllt zunächst alle Vorraussetzungen fü„Maxton Hall“ ist nur eine weitere kitschige Teenie-Serie?r ein romantisches Serienerlebnis: Hauptfigur Ruby, gespielt von Harriet Herbig-Matten, will hoch hinaus. Da sie aus einer Familie mit wenig Geld kommt, wirkt sie inmitten der ganzen Snobs auffällig geerdet. Für ihre Zeit an der Privatschule Maxton Hall hat sie ein Stipendium bekommen. Ihr Ziel ist es, später in Oxford angenommen zu werden. Dabei porträtiert die Serie sie als optimistisch und engagiert. Unbestreitbar überzeugt die Serie dabei mit den Drehorten, die definitiv einen englischen, noblem Charme ausstrahlen. Dabei handelt es sich tatsächlich um eine deutsche Produktion mit deutschen Schauspieler:innen. Die Buchvorlage „Save Me“ lieferte die deutsche Autorin Mona Kasten im Jahre 2018. Maxton Hall wirkt genauso, wie es auch von Ruby wahrgenommen wird: Es ist eine andere Welt. Demnach steht die Serie mit ihrer Ästhetik für eine jugendliche Leichtigkeit.
Gleichzeitig gelingt es Maxton Hall jedoch auch Tiefgang zu schaffen, insbesondere bei ernsten Themen wie häuslicher Gewalt — zumindest bis zu einem bestimmten Grad. Die wichtigen Dynamiken zwischen den Hauptfiguren werden zwar entschlüsselt, dies geschieht jedoch stark vereinfacht: James Beaufort, gespielt von Damian Hardung, ist Schüler der Maxton Hall und Sohn eines Millionärs. Auf den ersten Blick wirkt er wie ein überhebliches Klischee, doch es wird rasch deutlich, dass sein Verhalten in tieferliegenden Problemen verankert ist. So erfährt James von seinem Vater psychische und physische Gewalt. Ihm wurde eingetrichtert, nach außen hin das perfekte Image zu wahren – Sensibilität oder Schwäche sind in seiner Familie nicht erwünscht; Zweifel und Versagen haben keinen Platz in seiner Welt. James weiß, dass das Äußern seiner wahren Ansichten und Emotionen nichts daran ändern würde, weil sein Vater den Druck auf ihn nur weiter erhöhen würde. Aus dieser inneren Zerrissenheit heraus entwickelt er eine Fassade der Unantastbarkeit, um sich zu schützen. Diese psychologischen Mechanismen enthüllt die Serie zwar wirkungsvoll, aber durchbricht sie auch etwas zu schnell. Denn dann kommt Ruby in sein Leben – ein Mädchen, das laut James’ Vater in der gesellschaftlichen Hierarchie weit unten steht. Für James’ Vater steht fest, dass Ruby es nie weit bringen wird, allein aufgrund ihrer Herkunft. Ruby jedoch tritt selbstbewusst auf, stellt James nach einigen Streitigkeiten vor der ganzen Klasse bloß und demütigt ihn. Sie entlarvt seinen Schutzmechanismus der Arroganz. Aus psychologischer Sicht durchlebt James in diesem Moment eine schwere Krise seines Selbstwertgefühls. Nach dieser Demütigung entschuldigt sich Ruby jedoch, und plötzlich scheint es, als würde James gerade diese widerspenstige, selbstbewusste Art anziehen. Er fühlt sich zu ihr hingezogen, weil sie all das verkörpert, was er nicht ist.
Die „Enemies-to-Lovers”-Geschichte wirkt vielleicht auf den ersten Blick stimmig, doch auf den zweiten Blick eher übereilt. Eine Entschuldigung und alles ist vergeben und vergessen? James mag sich wünschen, so zu sein wie Ruby, doch tief in seinem Inneren weiß er, dass dies unter den Bedingungen, die in seiner Familie herrschen, unerreichbar ist. Ruby hat ihm bis jetzt Gründe gegeben, sie zu respektieren — für die Gefahr, die sie für sein Image bedeutet. In diesem Sinne wirkt die schnelle Entwicklung ihrer Romanze wenig überzeugend. Es wird nicht klar, was die beiden wirklich zusammenhält, zumal sich James’ Umfeld massiv gegen die Beziehung zu Ruby stellt.
(Spoiler-Warnung):
Später setzt James’ Vater ihn wegen der Beziehung zu Ruby auch noch unter Druck und erpresst ihn sogar. Er droht, Rubys soziale Herkunft öffentlich zu machen und dafür zu sorgen, dass sie in den höheren Kreisen keinen Respekt mehr genießen wird, wenn James weiterhin mit ihr zusammen ist. Letzterer entscheidet sich daraufhin, Ruby glauben zu lassen, dass seine Zuneigung nur vorgespielt war. Doch war diese zermürbende Erklärung wirklich notwendig? Vielleicht, um zu verhindern, dass Ruby sich ansonsten einer Trennung widersetzt und keinen Abstand zu James hält. Gleichzeitig dürfte es mindestens genauso schlimm sein, eine Beziehung auf diese Weise zu beenden.
Romantisierungen ungesunder Beziehungskonstellationen können für Spannung sorgen, aber auch falsche Vorstellungen von Liebe stärken. Maxton Hall zeigt in einem traumhaften Setting eine leider toxische Beziehung, die wahrscheinlich deshalb gerade so packend ist. Die ständige Weiterentwicklung trägt Folge um Folge durch die Serie und Nebenhandlungen garantieren Abwechslung und Spannung. Es bleibt deshalb abzuwarten, ob Staffel zwei die Beziehung zwischen James und Ruby noch vertiefen und entgiften kann. Eine deutsche Serie, die von dem Klischee der High School Romanze nur so strotzt, hat abschließend auch mich in ihren Bann gezogen.
: Levinia Holtz
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