Die Sommer werden immer heißer. Seit den 1960er-Jahren hat die durchschnittliche Zahl der Hitzetage pro Jahr um rund neun Tage zugenommen. An solchen Tagen, wenn es tagsüber mehr als 30 Grad Celsius warm wird, staut sich die Hitze vor allem in den Innenstädten. Denn Beton und Asphalt speichern die Wärme, was besonders wohnungslosen Menschen zu schaffen macht.
Besondere Hilfsangebote für obdachlose Menschen bei extremer Kälte im Winter, wie Kältebusse kennen wahrscheinlich die meisten von Euch. Allerdings hat auch die starke Hitze bei Tag und Nacht erhebliche Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System vieler Menschen. Wohnungslose Menschen haben genauso mit der Hitze zu kämpfen wie Ihr, aber oft nicht ohne weiteres Zugang zu Duschen, frischer Kleidung und Trinkwasser. Einfach raus aus der Stadt zu fahren ist auch keine Option, da sie auf die Infrastruktur der Innenstädte angewiesen sind. Viele Städte, wie auch die Stadt Bochum, haben daher in den letzten Jahren Hitzekonzepte entwickelt. Diese sollen helfen, obdach- und wohnungslose Menschen bei „Hitzewellen“ besser zu schützen. So bieten einige Hilfsangebote, beispielsweise von Initiativen wie der Caritas und dem Diakonischen Werk Bochum e.V., bereits Tagesaufenthalte für obdachlose Menschen an. Hier bekommen sie etwas zu Essen, kalte Getränke und frische Kleidung oder die Möglichkeit, ihre Kleidung zu waschen. Viele andere Unterkünfte müssen jedoch am nächsten Morgen wieder verlassen werden, sodass es immer noch oft an Rückzugsmöglichkeiten während der warmen Mittagsstunden fehlt.
An verschiedenen Orten in Bochum haben die Stadtwerke zudem Trinkbrunnen aufgestellt, die selbstverständlich allen durstigen Bochumer:innen zur Verfügung stehen. Der Verein für Armut und Gesundheit in Deutschland e.V. plädiert für eine Erweiterung der Hitzekonzepte vieler deutscher Städte und fordert zum Beispiel mehr Schattenplätze durch Sonnensegel oder Pavillons oder den freien Eintritt in Museen, die häufig über eine Klimaanlage verfügen.
Die Hitze ist oft noch ein größeres Problem als die Kälte
„Oft ist das mangelnde Bewusstsein über die Situation obdachloser Menschen in den Sommermonaten das größte Problem“, erzählt Bastian Pütter, Redaktionsleiter des Straßenmagazins bodo. „Im Winter sind viele Leute besorgt, wie wohnungslose Menschen die kalten Nächte überstehen“. Er betont, dass die Lage im Sommer oft gar nicht bedacht werde. Dabei hätten Menschen, die auf der Straße leben, mit der Hitze oft sogar noch stärker zu kämpfen als mit der Kälte im Winter. „Straße macht sehr sehr krank“, so Pütter. Die ehrenamtlichen Helfer:innen des Vereins bemerken bei ihrer aufsuchenden Arbeit häufig den schlechten Gesundheitszustand der Menschen.
Das Leben auf der Straße an sich bringe schon viele gesundheitliche Probleme mit. „Die Menschen sind sozusagen vorgealtert und haben häufig Probleme mit dem Herz-Kreislauf-System, der Atmung, der Psyche oder auch Suchterkrankungen.“, erklärt Pütter. Viele Betroffene vergessen dabei auch häufig regelmäßig zu trinken oder Schattenplätze aufzusuchen.
Der ein oder andere von Euch kennt das vielleicht von seinen Großeltern, die eh schon gesundheitliche Probleme haben und an den warmen Tagen vergessen genug zu trinken. Dies wiederum führt nicht selten zu Komplikationen wie Kopfschmerzen, Verwirrtheit, Erschöpfung oder Problemen mit dem Kreislauf. Eine Initiative des bodo e.V. ist es daher, mit umgebauten Zustellwagen der Post durch die Innenstädte in Bochum und Dortmund zu gehen und zum Beispiel Wasser, Kopfbedeckungen und Sonnenmilch zu verteilen. „Wir haben da aber auch andere Sachen wie Kaffee, Pflaster, Isomatten oder Schlafsäcke dabei“, erklärt Pütter. Alles, was eventuell gebraucht wird. Studierende können auch aushelfen. Ehrenamtliche Unterstützung bei der aufsuchenden Arbeit wird stets gebraucht und ist auch sehr flexibel neben dem Uni-Leben organisierbar. Wenn Ihr also noch nach einer sinnvollen Beschäftigung für die restlichen Semesterferien sucht, oder einfach gerne helfen wollt, schaut doch mal unter https://bodoev.de/ vorbei.
„Ein bisschen mehr solidarisches Miteinander wäre schön“
Das Wichtigste für Pütter aber sei es, obdachlose Menschen nicht wie eine fremde Spezies zu behandeln. Darum wünsche er sich vor allem ein bisschen mehr solidarisches Miteinander insgesamt. Wenn Ihr Euch jetzt also fragt, was Ihr tun könnt: keine Sorge, Kleinigkeiten reichen schon. Habt Ihr vielleicht einen Menschen, dem Ihr immer auf dem Weg zur Uni, beim Einkaufen, oder am Bahnhof begegnet? Falls ja, begrüßt ihn oder sie beim nächsten Mal einfach freundlich. Je aufgeschlossener wir für die Menschen in unserem Umfeld sind, umso eher nehmen wir wahr, wenn ihnen etwas fehlt.
„Wie die meisten Menschen wissen obdachlose Menschen selbst am besten, wie es ihnen geht“, betont Pütter. Eine Kleinigkeit, die jede:r tun kann, ist zum Beispiel an warmen Tagen zusätzlich zur eigenen, wiederverwendbaren Wasserflasche eine kleine 0,5L-Pfandflasche mitzunehmen. „Wer das tut, so Pütter, kann nicht nur praktisch helfen, sondern schaut auch ganz anders hin und bemerkt vielleicht eher, wenn es einem anderen Menschen nicht gut geht“, sagt Pütter. Und wenn Ihr Euch nicht sicher seid, könnt Ihr die Leute im Zweifelsfall einfach ansprechen und fragen, was sie brauchen. Das gilt nicht nur für Obdach- und Wohnungslose, sondern zum Beispiel auch für ältere Menschen, die ja auch häufig unter der Hitze leiden. Wenn sie über hitzebedingte Beschwerden wie Kopfschmerzen oder Erschöpfung klagen, könnt Ihr anbieten ein Wasser zu kaufen oder mit Ihnen an einen schattigeren Ort zu gehen. Wenn Ihr merkt, dass sich der Zustand einer Person verschlechtert oder sie nicht bei Bewusstsein ist, solltet Ihr natürlich den Rettungsdienst (Notruf 112) anrufen.
:Julia Keutmann
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