Was Matti S. und Johannes K. verbindet? Ein Hang zu sogenannten Killerspielen. Was sie trennt? Johannes K. sitzt gerade in einer Vorlesung und hört seinem Dozenten zu. Er hat keine Absichten, diesen oder seine Kommilitonen zu ermorden. Trotz Handgranaten und Killerspiel. Johannes K. kommt nicht aus dem Pisa-Wunderland Finnland, sondern ist Kind einer gutbürgerlichen Familie irgendwo in NRW.

Die Reaktion der Medien: Johannes K. stand letzte Woche in der Zeitung, weil er das entscheidende Tor seines Fußballklubs gegen den Nachbarstadtteil geschossen hat. Über Matti S. spricht die Welt. Die finnische Regierung will die drittlaxesten Waffengesetze der Welt überarbeiten und alle sind fest überzeugt: Wer Killerspiele spielt, wird selbst zum Killer. Wenn er dazu noch Metal hört, erst recht! So weit, so platt. Denn noch vor nicht einmal zwei Wochen legte Prof. Dr. Jost Reinecke von der Universität Bielefeld eine Studie vor, die zeigte, dass sich ein direkter Zusammenhang zwischen Gewaltspielen und eigener Gewaltausübung nicht feststellen lässt.

Empirie gegen Bauchgefühl

3.400 Duisburger und Duisburgerinnen im „besten Killerspielalter“ zwischen 13 und 19 wurden über sechs Jahre lang zu Erfahrungen mit den Themen Gewalt und Kriminalität befragt. Jugendkriminalität werteten die Forscher als weitestgehende Normalität im Prozess des Erwachsenwerdens, um Grenzen auszuloten. Bereits mit 15 Jahren bewirken familiäre und gesellschaftliche Regulationsprozesse einen deutlichen Rückgang der Kriminalität, so die Untersuchung. Die Studie zeigte aber auch Besorgniserregendes: Fünf Prozent der Befragen waren jugendliche Intensivtäter mit mehr als fünf Straftaten im Jahr. Hintergrund dabei aber seien nicht ein besonderer Hang zu Killerspielen gewesen. „Gewaltsame und gleichgültige Erziehungsmethoden führen zur Befürwortung und unter Umständen zur Anwendung von Gewalt“, meint Prof. Reinecke.

Alte Denkmuster mögen keine neuen Fakten

14 Tage sind seit Vorstellung der Studie vergangenen, und keiner kann oder will sich ob der Bilder aus Finnland erinnern. Das Erklärungsmuster – Killerspiele sind böse und verursachen mehr oder minder direkt Gewalt – ist in den Köpfen, aber auch in den Medien zu verfestigt, als dass aktuelle Forschungsergebnisse daran rütteln könnten. Dies ist umso bedauerlicher, weil durch diese einfachen Erklärungsmuster Gründe für Gewalt verdeckt und nicht aufgearbeitet werden. Dass ausgerechnet im Pisa-Wunderland Finnland nun der zweite Amoklauf innerhalb von einem Jahr geschah, zeigt aber vor allem eins: Es gibt keine einfachen Lösungen für das komplexe Wesen Mensch.

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