Am Silvestermorgen erreichte das Internetportal bo-alternativ.de eine Nachricht der Antifaschistischen Union Dortmund: Für den Abend hätten Neonazis ein Rechtsrock-Konzert geplant. Die rechte Szene mobilisiere intern durch Rundbriefe und gesicherte Internetforen nach Bochum in das Vereinsheim des SV Germania Bochum-West an der Pestalozzistraße. Die von dem Sportverein eingesetzte Vermieterin sei allerdings nicht bereit, den Vertrag mit den Neonazis zu kündigen, so die Antifa-Gruppe weiter.

Bekannte Neonazis

Die Informationen der Dortmunder AntifaschistInnen stellten sich schnell als richtig heraus. Die Figuren, mit denen sich der Bochumer Sportverein mit dem urdeutschen Namen eingelassen hatte, sind nämlich keineswegs unbekannt: Vertragspartner war der einschlägig berüchtigte Neonazi Björn Benjamin Thom, der unter anderem bei den Landtagswahlen 2005 in Gelsenkirchen für die NPD kandidierte. Außerdem ist Thom wegen eines Übergriffs auf Anti-Nazi-DemonstrantInnen zu mehr als einem halben Jahr Haft auf Bewährung vorbestraft – das Urteil wurde erst vor wenigen Wochen vom Landgericht Bielefeld bestätigt. Als Organisator des geplanten Bochumer Rechtsrock-Konzerts habe der Dortmunder Neonazi Alexander Deptolla verantwortlich gezeichnet, berichtet die Antifaschistische Union Dortmund. Der bekannte Organisator von Neonazi-Konzerten ist ebenfalls kein unbeschriebenes Blatt: Er ist seit Jahren in der ultrarechten Szene aktiv und zählt zu den Führungspersönlichkeiten der „Autonomen Nationalisten“ in Dortmund.

Wiederholungstäter

Dass die Neonazis das Bochumer Vereinsheim anmieten konnten, obwohl zumindest einige Vereinsmitglieder über den rechtsextremen Hintergrund Bescheid gewusst haben, wirft Fragen auf – zumal es sich nicht um das erste von Deptolla organisierte ultrarechte Konzert in dem Haus des SV Germania gehandelt hat. Den Verdacht, dass der Verein Neonazi-Aktivitäten aktiv unterstützt, weist dieser jedoch weit von sich. Unmittelbar, nachdem das Internet-Portal bo-alternativ.de den Skandal öffentlich gemacht hatte, reagierte der SV Germania mit einer Stellungnahme: „Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass wir uns von jedweder nationalsozialistisch orientierten Gruppierung distanzieren und solche Gedanken weder unterstützen noch fördern.“ Richtig sei allerdings, dass das Vereinsheim zum wiederholten Mal von den Neonazis angemietet worden sei, bestätigt der Verein. Allerdings hätten weder der Verein noch die eingesetzte Vermieterin Kenntnis über den Zweck der Anmietung gehabt.

Polizei rät: Lasst die Nazis feiern!

Nachdem die Anmietung des Vereinsheims durch Neonazis öffentlich wurde, haben die Verantwortlichen des SV Germania Kontakt mit der Polizei aufgenommen. Während AntifaschistInnen und Bochumer PolitikerInnen den Verein aufforderten, den Vertrag mit den Rechtsextremen sofort zu kündigen, bewirkte die Polizei das Gegenteil. Sie empfahl den Verantwortlichen, das Nazi-Treffen stattfinden zu lassen, aber kein Konzert zuzulassen. Der Presse gegenüber verharmloste die Bochumer Polizei das überregional beworbene Neonazi-Treffen: In dem Vereinsheim finde kein Rechtsrock-Konzert, sondern lediglich eine private Feier statt. Auch im Nachhinein bleibt die Polizei bei dieser Version – obwohl der „Nationale Widerstand Dortmund“ auf seiner Internetseite von dem Auftritt der Band „Libertin“ berichtet und höhnisch feststellt: „Trotz dem Versuch antifaschistischer Gruppen, unsere Feier zu verhindern, konnte diese ungestört stattfinden“.

Diesen angeblichen Erfolg der Neonazis hat nicht zuletzt die Bochumer Polizei möglich gemacht, die ihrem Ruf wieder einmal gerecht wurde. Schon nach der Bochumer NPD-Demonstration im Oktober 2008 hatte sich der Bochumer Polizeipräsident Thomas Wenner heftiger Kritik ausgesetzt gesehen, weil er durch einen massiven Polizeieinsatz erst ermöglichte, dass die Neonazis durch Bochum ziehen konnten. Die polizeiliche Aussperrung der Bochumer Bürger aus der Innenstadt rechtfertigte er damals durch eine Diffamierung der antifaschistischen Proteste gegen die Nazis. In Presseinterviews machte er deutlich, dass für ihn nicht die Nazis, sondern die GegendemonstrantInnen das eigentliche Problem darstellten – welche er in peinlicher Weise mit den Rechtsextremen gleichsetzte: „Die Rechten stehen für KZs, die Linken für Gulags!“

Während die Strategie der Bochumer Polizeiführung in Bezug auf die erstarkende rechte Szene für viele immer unerträglicher wird, muss allerdings auch die Antifaschistische Union Dortmund Kritik aus Bochum einstecken. Sie habe die Initiativen in Bochum erst zu Silvester über das geplante Neonazi-Konzert informiert, obwohl sie schon vorher von den Plänen gewusst habe, schreibt das Internet-Portal bo-alternativ.de. Der endgültige Mietvertrag sei von dem Sportverein allerdings erst am 30. Dezember unterschrieben worden. Hätten die Bochumer antifaschistischen Strukturen vorher Bescheid gewusst, hätte die Veranstaltung durch öffentlichen Druck auf den Verein wahrscheinlich verhindert werden können. Â
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