Wenn die Sicherheit gefährdet ist, dann müssen individuelle Freiheitsrechte von Bürgerinnen und Bürgern eingeschränkt werden können. Diesem Grundsatz liegen so sinnvolle Beschränkungen zu Grunde, wie das Verbot, auf der A40 Fahrrad zu fahren. Zwischen all den schnellen Autos und LKW hat ein Fahrrad nichts verloren, auch wenn die Autobahn die kürzeste Verbindung nach Dortmund darstellt. Mit Sicherheitsüberlegungen argumentierten auch die Stadtoberen aus Freiburg, als sie eine neue Polizeiverordnung für das Kneipenviertel, das   wie in Bochum auch Bermuda-Dreieck heißt, erließen. Der Konsum von Alkohol war darin abends und am Wochenende verboten. Dagegen klagte ein Jurastudent der Universitätsstadt bis vor den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg und gewann seinen Prozess. Die Richter erteilten der übervorsichtigen Stadtverwaltung einen Dämpfer: Nicht der Alkohol stellt die Gefahr dar, sondern der unbedarfte Umgang mit ihm. Folglich seien also nicht alle, die etwas trinken, bereits Gewalttäter. Zwar ist seit Einführung der Polizeiverordnung die Gewalt in Freiburgs Innenstadt zurückgegangen, mit einem Verbot jedoch viele Unschuldige zu verdächtigen, sei unverhältnismäßig. Beinah prosaisch fasst Richter Karl-Heinz Weingärtner die Urteilsgründe zusammen, wenn er feststellt, dass für einen See kein Badeverbot erteilt werde, nur weil bereits ein Nichtschwimmer darin ertrunken sei. Dennoch will der Senat das Urteil nicht als Freifahrtschein für das „Komasaufen“ verstanden wissen. Im Einzelfall seien Platzverweise immer noch möglich, lediglich dem generalisierten Verbot wurde ein Riegel vorgeschoben.

Kein Picknick auf dem Schlossplatz

Eine ähnlicher Fall ereignete sich im niedersächsichen Braunschweig. Über StudiVZ lud ein Braunschweiger zum Flashmob auf den Schlossplatz. Eine Stunde lang sollte dieser in ein Picknick-Areal verwandelt werden – zumindest bis das Ordnungsamt der Stadt davon erfuhr und dem Studenten mitteilte, dass ein Picknick eine genehmigungspflichtige aber nicht genehmigungsfähige Sondernutzung sei und er für Schäden und Müllbeseitigung persönlich hafte, wenn er dazu aufrufe. Nun wird es einen Flashmob geben, bei dem sich „keine Picknicker am 8. August um 16 Uhr auf dem Schlossplatz in Braunschweig einfinden“, verkündet er in seiner StudiVZ-Gruppe. Der öffentliche Raum sei lediglich zum Verkehr bestimmt, diene also dem Erreichens des Ortes B vom Ort A, meint die Stadt Braunschweig. Also sei jeder Flashmob illegal und werde mit Polizeigewalt unterbunden. Erst nach einem kritischen Medienecho möchte die Stadt von einem generellen Flashmob-Verbot nichts mehr wissen, sieht jedoch weiterhin ihr Eigentum an dem teuren Sandsteinpflaster durch Picknicker gefährdet.

Absurde Verbote und
Schranken der Freiheit

Motiviert sind die Braunschweiger Ordnunghüter von einem ähnlichen Aufruf, bei dem mehrere tausend Teilnehmer auf der nordfriesischen Insel Sylt eine Spontanparty feierten und seitdem Kommune und Aufrufer um die Kosten für die Müllentsorgung streiten. Immer häufiger geschieht es in letzter Zeit, dass ordnungsbehördliche Regelungswut in die Freiheitsrechte der Bürger eingreift und auch den letzten Freiraum im öffentlichen Raum zu beschränken versucht. Dass diese Überregulierung an ihre Grenzen stößt, wenn neue Aktions- und Kunstformen davon angegangen werden, zeigt das Braunschweiger Beispiel. Wie ein Flashmob, also eine dezentral organisierte Veranstaltung, die teilweise lediglich wenige hundert Sekunden dauert, von der Polizeigewalt unter Kontrolle zu bringen ist, kann bislang nicht beantwortet werden. Ebenso offen ist die Frage, warum genau das Leben der Bürger bis ins letzte reguliert werden muss, wenn man der Wirtschaft das Vertrauen entgegen bringt, sich im wesentlichen selbst schon ganz gut regulieren zu können.

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