Der von der Stadtverwaltung vorgelegte Sparplan liest sich für viele BochumerInnen in der Tat wie eine Liste der Grausamkeiten: 15 Schulen sollen geschlossen werden, das Hallenfreibad Höntrop sowie einige Lehrschwimmbecken und die Büchereien in Querenburg und Gerthe sollen dran glauben. Die Kindergartengebühren werden faktisch erhöht, die Gebührenbefreiung von Geschwisterkindern soll wieder abgeschafft werden. Bei der Volkshochschule und der Musikschule sollen nicht nur die Gebühren steigen, sondern auch das Angebot soll massiv ausgedünnt werden – bei der Musikschule um 600 Jahreswochenstunden. Geld bei Obdachlosenübernachtungsstellen wird ebenso gekürzt wie in der Erziehungsberatung und bei dem Angebot für psychisch erkrankte Menschen. Auch bei den Kinder- und Jugendverbänden sind massive Einsparungen geplant.
Bei Obdachlosen gekürzt – Konzerthaus gebaut?
Im Kulturbereich drohen ebenso große Einschnitte, die allerdings höchst ungleich verteilt sind: Das Festival „Kemnade International” und die Freilichtbühne Wattenscheid sollen privatisiert werden, Fördergelder sollen sinken, und die Eintrittspreise für fast alle städtischen Angebote sollen deutlich steigen. An anderer Stelle soll sich die Stadt nach den Plänen der Verwaltung allerdings weiter spendabel zeigen: Trotz aller Kritik sind für den Bau des umstrittenen Konzerthauses weiterhin Ausgaben von 29 Millionen Euro vorgesehen – die dadurch entstehenden hohen Folgekosten sind noch nicht eingerechnet.
Eine solche Prioritätensetzung sorgt nicht nur bei denen für Empörung, die von den Kürzungen im Jugend- und Sozialbereich direkt betroffen sind. Die Bezirksvertretung Wattenscheid lehnt in einem einstimmigen Beschluss viele der geplanten Kürzungen in diesem Bereich sowie die Schließung des Hallenfreibads Höntrop ab. Gegenfinanziert werden soll dies mit einem Verzicht auf das Konzerthaus und ein Ende des Profisport-Sponsorings durch städtische Tochterunternehmen.
Lautstarker Protest in Querenburg
Für besondere Aufregung sorgt die Tatsache, dass insbesondere solche Stadtteile hart von dem geplanten Sozialabbau getroffen würden, in denen eher deutlich mehr Engagement nötig wäre. Zum Beispiel Querenburg: Neben der Universität liegt hier auch die Hochhaussiedlung Hustadt mit ihrer ungewöhnlich hohen Wohndichte und einer hohen Arbeitslosenquote. Ausgerechnet hier schlägt die Verwaltung vor, das bisher von der Arbeiterwohlfahrt betriebene Jugendzentrum „HuTown“ zu privatisieren. Schon im kommenden Jahr will die Stadt durch die Weitergabe der Räumlichkeiten an einen kommerziellen Anbieter 74.000 Euro sparen, im Jahr darauf bereits knapp 150.000 Euro. Was das für das Angebot an Sozialarbeit, Hausaufgabenhilfe und für das Kinder- und Jugendprogramm bedeuten würde, kann man sich unschwer vorstellen. Doch damit nicht genug: Bis 2015, so sehen es die Pläne der Verwaltung vor, soll auch die Bücherei im Unicenter geschlossen werden – der zweite zentrale Anlaufpunkt für Kinder und Jugendliche, die ihre Freizeit in dem Stadtteil nicht nur auf der Straße oder vor dem Fernseher verbringen möchten.
„Ausgerechnet hier, wo so viele Kinder wohnen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, und deren Eltern sich eben nicht massenhaft deutschsprachige Bücher leisten können, soll die Bücherei geschlossen werden“, kritisiert Sabine Schimpf. Die zweifache Mutter konnte das zunächst kaum glauben. Deswegen hat sie zusammen mit der Elternvertretung der Waldschule eine Unterschriftenaktion gestartet. Das Ergebnis: 1.500 Unterschriften in nur zehn Tagen. Unterschriften für den Erhalt dieser Bücherei zu sammeln – das sei, wie den Leuten Geld zu schenken, berichten die engagierten Eltern. In Querenburg finde sich kaum jemand, der nicht sofort zur Unterschrift bereit sei.
Prominente FürsprecherInnen
Für den Erhalt des Jugendzentrums „HuTown“ kursiert ebenfalls eine Unterschriftenliste – und zwar eine, die deutlich macht, wie tief der Riss ist, den die Sparpläne auch im politischen Bochum verursachen. Während nämlich SPD-Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz nach wie vor für das Sparkonzept wirbt, organisiert ausgerechnet ihre Vertreterin, nämlich Bürgermeisterin Gaby Schäfer (ebenfalls SPD) den Widerstand gegen die Schließung des Jugendzentrums. Damit stehen die Chancen hier verhältnismäßig gut, dass sich das Schlimmste noch verhindern lässt – anders als bei vielen anderen wichtigen Sozialprojekten, für die sich nicht so prominente FürsprecherInnen gefunden haben.
Stadt bisher zu sorglos?
Dabei gibt es durchaus Alternativen, zum Beispiel zur Schließung der Bücherei in Querenburg. „Wenn die Stadt kein Geld hat, ist es natürlich schlecht vermittelbar, wenn sie jeden Monat 10.000 Euro Miete für die gar nicht mal so große Bücherei an die Betreiber des Unicenters überweist. Das ist einfach zu teuer“, sagt Philipp Unger vom Stadtteilverein University meets Querenburg, der den Widerstand gegen die Schließung mitorganisiert. „Da muss man aber feststellen: Die Stadt ist einfach kein guter Verhandlungspartner gewesen. Es gibt hier einen ziemlich großen Leerstand. Viele Gaststätten und Mieter von Ladenlokalen haben längst nachverhandelt und bessere Verträge bekommen. Die Stadt aber nicht.“ Sein Vorschlag also: Anstatt die Bücherei einfach dicht zu machen, soll sie den Umzug in günstigere Räume planen, etwa in die leerstehende Polizeiwache an der Merianstraße oder in die leerstehende Kirche gegenüber – und dann mit dem Unicenter neu verhandeln. Denn das Einkaufszentrum habe sicherlich kein Interesse an zusätzlichem und derzeit kaum vermietbarem Leerstand. Eine weitere Alternative sei der Neubau einer Bücherei in Querenburg, durch den zukünftige Mietzahlungen ganz wegfallen würden: „Die Miete von fünf Jahren, die die Stadt derzeit an das Unicenter zahlt, würde für so ein zukunftsträchtiges Projekt ausreichen“, macht Unger das Ausmaß der aktuellen Misswirtschaft deutlich.
Andere Steuerpolitik gefordert
So plausibel eine solche Kritik an der Stadt ist – die meisten OrganisatorInnen des Widerstands gegen die Sparpläne sind sich einig: Ein sinnvollerer Umgang mit dem Geld könnte nur einen Teil der Probleme lösen. Der Paritätische Wohlfahrtsverband weist darauf hin, dass die Kommunen ohne eine Änderung der Steuerpolitik auf Bundes- und Landesebene ihren Aufgaben schlichtweg nicht mehr nachkommen können. Die Städte seien flächendeckend unterfinanziert, was bundesweit zu einem sozialen Kahlschlag führe. Deswegen müsse der Steuerschlüssel dringend zugunsten der Kommunen geändert werden. Der dringliche Appell fällt derzeit allerdings nicht gerade auf fruchtbaren Boden: Sollte die schwarz-gelbe Bundesregierung ihr Steuerpaket wie geplant zum 1. Januar 2010 umsetzen, würden für Bochum nach unterschiedlichen Schätzungen zwischen 10 und 30 Millionen Euro Steuereinnahmen pro Jahr zusätzlich wegfallen.
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