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Überhaupt nicht friedlich: Palästina-Workshop auf dem Bildungskongress. - Foto: Dieter Schütz/pixelio.deBereits im Vorfeld des Kongresses hatte es wegen des Workshops heftige Diskussionen innerhalb der international besetzten Organisationsgruppe gegeben. Im Ankündigungstext war vom „gestohlenen Land“ der Palästinenser die Rede und davon, dass diese die Besatzung „überleben“ und um ihr „Existenzrecht“ kämpfen müssten. Die Kritik: Es gehe darum, Israel mit dieser Diktion das Existenzrecht abzusprechen und zu unterstellen, Israel wolle die Palästinenser vernichten. Mit einer sachgerechten Diskussion des dortigen Bildungssystems oder gar des Nahostkonflikts habe das nichts zu tun, weil weder der europäische und arabische Antisemitismus vor der Staatsgründung Israels noch die Kriegserklärung einer Reihe arabischer Staaten unmittelbar danach thematisiert werden sollte. Die Konzeption der Veranstaltung blendete dies alles tatsächlich aus – kein Wunder, dass die Lücke während des Workshops durch wüste Anschuldigungen gefüllt wurde, die nichts anderes als das verklausulierte antisemitische Stereotyp vom heimatlosen und mordenden Juden reproduzierte, der andere Völker zerstören wolle.

Tiefe Gräben

Der Bochumer Bildungschancen e.V., der den hiesigen Teil der Organisationsgruppe stellt, fand im Vorfeld gegenüber der bsz klare Worte: „Wir distanzieren uns von Aussagen, die auch nur implizieren können, das Existenzrecht Israels nicht anzuerkennen oder zum bewaffneten ,Befreiungskampf‘ gegen den Staat Israel aufrufen.“ Der Ankündigungstext verschwand daraufhin erst einmal von der Webseite des Kongresses, um von einer „content group“ diskutiert zu werden. Danach sollte er, so die Einschätzung der Bochumerinnen und Bochumer, auch nicht wieder auftauchen. Mit dieser Position standen sie – zusammen mit anderen Leuten aus Deutschland – in der internationalen Organisationsgruppe jedoch alleine da.

Antizionismus

In Deutschland ist ein Teil der Linken nach heftigen Diskussionen in den vergangenen 20 Jahren von der zuvor typischen bedingungslosen Parteinahme für den palästinensischen Kampf gegen Israel abgerückt. Dem liegt nicht zuletzt die Analyse zugrunde, dass der europäische Antisemitismus nach Auschwitz häufig nicht mehr offen ausgedrückt wird. Vielmehr habe er im Antizionismus, also der Feindschaft gegen Israel, eine neue Ausdrucksform gefunden – einer Ideologie, die zum Teil die gleichen antisemitischen Stereotype wiederholt wie die alte antisemitische Rede. In der restlichen europäischen Linken fanden vergleichbare Debatten kaum statt.

Die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops begegneten dieser Kritik mit Unverständnis. Es wurden Zensurvorwürfe laut, und den Kritikerinnen und Kritikern wurde sogar die „ethnische Diskriminierung“ der in Israel lebenden palästinensischen Referentinnen vorgeworfen. Schon im Vorfeld hatten einige Gruppen die Absage ihrer Teilnahme für den Fall angekündigt, dass der antiisraelische Workshop nicht stattfinde. Letztendlich fand er statt – wohl auch, um einen Eklat zu vermeiden, der womöglich den gesamten Kongress hätte platzten lassen können. Die einzige sichtbare Folge der Diskussion im Vorfeld war ein eingehefteter Zettel im Programmheft: Der Kongress als Ganzes habe keine Position, man solle einfach „nice to each other“ sein.

Offene Ressentiments

Die Stimmung im Workshop selbst war dagegen überhaupt nicht „nice“. Das wurde schon zu Beginn deutlich, als die Referentin eine Karte an die Wand warf, auf der ein „Palestine (occupied)“ umrissen war – Israel war von dieser Landkarte getilgt. Die Lösung des Konflikts, so suggerierte schon dieses Bild, könne demnach in der Zerstörung des jüdischen Staates bestehen. Die Diskussion nach dem Vortrag heizte sich schnell auf und wurde aggressiv. Als eine Frau anmerkte, dass man auch die Gründungsgeschichte Israels und den Holocaust berücksichtigen müsse, wurde sie vom restlichen Publikum – völlig zusammenhanglos – als „Stalinistin“ beschimpft und ihr Redebeitrag unterbrochen. Ebenso widerfuhr es auch den wenigen anderen Teilnehmern, die etwa auf die Rolle der islamistisch-terroristischen Hamas hinweisen wollten, die mit ihren Raketenangriffen auf Israel den Gaza-Krieg 2009 ausgelöst hat.

Nicht ganz umsonst

Die Auseinandersetzung rund um den Palästina-Workshop verdeutlicht einen tiefen Bruch innerhalb der europäischen Linken in Bezug auf den Nahostkonflikt und den Antisemitismus. Oder, um es mit den Worten eines spanischen Aktivisten zu sagen: „Es gibt keinen Unterschied in der Debatte zwischen Deutschland und Spanien. Es gibt diese Debatte in Spanien einfach nicht.“ Insofern hat der Eklat um den Palästina-Workshop wenigstens etwas gebracht: Ein paar Leute, die ihre Feindschaft gegen Israel möglicherweise noch nie kritisch hinterfragt haben, mussten zur Kenntnis nehmen, dass es innerhalb der europäischen Linken auch andere Positionen gibt.

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