Wulff redete am 25. Oktober 2008 auf einer NPD-Kundgebung mit dem Motto „Deutsche wehrt Euch – Gegen Überfremdung, Islamisierung und Ausländerkriminalität!“ Rund 200 Rechte marschierten vom Hauptbahnhof Richtung Ehrenfeld, gestört von circa 3.000 GegendemonstrantInnen (bsz 763 berichtete). In der Oskar-Hoffmann-Straße stachelte Wulff dann in einer Rede zum Fremdenhass auf. Wenn er tatsächlich wegen Volksverhetzung verurteilt wird, kann er eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren erwarten.
Dem Prozess ging ein mittelgroßes juristisches Mätzchen voran: Noch im Herbst hatte die Sechste Strafkammer des Landgerichts die Anklage abgelehnt, weil man die Inhalte der Rede „zwar für geschmacklos, aber nicht als strafbar erachtet, da diese von der Meinungsfreiheit gedeckt sind“. Nach einer Beschwerde der Staatsanwaltschaft hat das Oberlandesgericht Hamm das Landgericht aufgefordert, den Prozess zu eröffnen. Dabei sei zu würdigen, dass einzelne Äußerungen möglicherweise von der Meinungsfreiheit gedeckt seien – entscheidend sei jedoch das Gesamtbild.
Notorischer Neonazi
Thomas Wulff war 2005 als persönlicher Referent von NPD-Chef Voigt im Parteivorstand für die „Koordination freie Kräfte“ zuständig und sitzt derzeit im Bundesvorstand der NPD. Er übernahm bereits Mitte der 80er Jahre den Hamburger Landesvorsitz der extrem rechten „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“. Später gründete Wulff die „Nationale Liste“ als legale Organisation für konspirative Strukturen. Beide Organisationen wurden 1995 verboten. 2004 zählte der ehemalige NPD-Kritiker Wulff zu denjenigen freien Kameradschaftsanführern, die spektakulär in die Partei eintraten und so eine neue gemeinsame „nationale Volksfront“ proklamierten. So sollte der Schulterschluss zwischen offen militanten Neonazis und spießbürgerlich auftretenden PolitikerInnen mit extrem rechter Gesinnung praktiziert werden. Wulff, oft in schwarzer Lederkleidung unterwegs, gibt sich demonstrativ kameradschaftlich. Sein Spitzname „Steiner“ soll an einen General der Waffen-SS erinnern, der Eliteeinheiten zu Stoßtruppen ausbildete.
Rechte Rechtsbrüche
Wulffs erste Verurteilung geht ins Jahr 1995 zurück. Damals veröffentlichte er in einer Publikation der „Nationalen Liste“ einen Artikel, in dem er den Holocaust bestritt und den damaligen Vorsitzenden des Zentralrates der Juden, Ignatz Bubis, verleumdete. Er wurde daraufhin wegen Volksverhetzung, übler Nachrede und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener zu einer Haftstrafe von sechs Monaten verurteilt. 2008 hatte Wulff bei der Beisetzung eines militanten Neonazis in Passau eine Reichskriegsflagge mit Hakenkreuz ausgebreitet. Darauf folgte eine Geldstrafe wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.
Auch der Verteidiger von Wulff, der Rechtsanwalt Wolfgang Nahrath, entstammt der rechtsextremen Szene. Er war Bundesführer der „Wiking-Jugend“ und auch leitendes Mitglied bei der Nachfolgeorganisation „Heimattreue Deutsche Jugend“. Beide werden als Imitationen der Hitler-Jugend betrachtet und sind mittlerweile verboten. Sie sollten Kinder unter dem Deckmantel von Jugendfreizeiten mit rechter Ideologie indoktrinieren.
Am ersten Verhandlungstag, dem 16. August, beantragte Wulffs Verteidigung noch vor der Beweisaufnahme, das Verfahren einzustellen – mit der Behauptung die Anklage sei „widersinnig und unschlüssig“, da die Vorwürfe nicht konkret genug seien. Dies hatte eine Vertagung des Prozesses auf Mittwoch, den 25. August, zur Folge.
Auch wenn man Wulff eine Verurteilung wegen Volksverhetzung sehnlichst wünscht, ist längst nicht sicher, wie das Bochumer Gericht entscheidet. Dieses Urteil wird von Neuem zeigen, wie wirksam der Rechtsstaat in seinem Vorgehen gegen nationalsozialistische Umtriebe in der Öffentlichkeit ist. Gerade für das Ruhrgebiet könnte das zeigen, wie wichtig politischer Widerstand gegen Rechts ist – wenn es sein muss, auch mit zivilem Ungehorsam.
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