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Um den Schulen und den Eltern die Rückkehr zum Abitur in neun Jahren zu erleichtern, will die Landesregierung den Gymnasien Wahlfreiheit gewähren. Sie sollen selbst entscheiden, ob sie das G8 oder G9 anbieten. Für größere Schuleinrichtungen wären auch beide Varianten möglich.
Da die oppositionellen Fraktionen im Landtag wohl nicht einfach mit Ja zur Rückkehr zum G9 votieren, umgehen SPD und die Grünen den parlamentarischen Weg und deklarieren die Wahlfreiheit zunächst als befristeten Schulversuch. Somit hätten zwar nur zehn Prozent der Gymnasien die Möglichkeit, die Zeit fürs Abitur wieder um ein Jahr zu verlängern. Die lästige Abstimmung im Landtag würde so aber immerhin entfallen. Bis Ende November haben die Gymnasien Zeit zu entscheiden. Für die Rückkehr und den Schulversuch ist ein einstimmiges Votum der Lehrer- und der Schulkonferenzen nötig.

Eltern wehren sich

Erst waren die Eltern gegen die Verkürzung der Schulzeit. Nun wehren sie sich gegen eine erneute Verlängerung. „Das Hü und Hott der Schulpolitik demotiviert nicht nur die engagierten Pädagogen und Pädagoginnen, sondern verärgert die Eltern, die in den Schulen mitwirken und Verantwortung für die schulische Bildung aller Kinder übernehmen. Sie sorgen sich um die Zukunft ihrer Kinder, die nur eine Schulzeit haben und in dieser nicht Spielball von großangelegten politischen Feldversuchen sein dürfen“, heißt es in einer Erklärung der Landeselternschaft der Gymnasien in NRW. Dabei sind vor allem die Proteste der Eltern Hintergrund für das Reformvorhaben der rot-grünen Landesregierung. Viele Eltern fürchteten damals eine zu große Belastung ihrer Kinder. Ingmar Wichert, Sprecher der Grünen Hochschulgruppe, begrüßt die Entscheidung seiner Partei: „Es ist gut, dass man den Schulen die Wahl lässt – das sorgt für mehr pädagogische Entscheidungsfreiheit. Es gibt SchülerInnen, die das Abitur durchaus in acht Jahren schaffen, aber genauso gibt es jene, die eben ein Jahr länger brauchen – die Prüfungen und das Zeugnis bleiben ja gleich.“ So ist er auch gegen eine generelle Rückkehr zu G9, wie etwa die Linke fordert.

Lehrkräfte ganz und gar nicht begeistert

Viele Lehrerinnen und Lehrer kritisieren den geplanten Schulversuch oder die endgültige Rückkehr zu G9. Sie bemängeln, dass schon wieder neue Lehrpläne notwendig würden und neue Bücher angeschafft werden müssten. Der Philologenverband NRW bezeichnet das Vorhaben, G9 als Schulversuch zu deklarieren, schlicht als „lächerlich“.

Hiesige Gymnasien verhalten

In den nächsten Wochen werden sich in Bochum und ganz NRW die Schulleitungen der Gymnasien zusammensetzen und über den Vorschlag diskutieren. Das Schulverwaltungsamt lässt auf Nachfrage verlauten, dass die Bochumer Gymnasien wohl nicht zurück zum G9 wollen. Bislang sei aber noch nichts beschlossen, so Wolfgang Mai-Kellermann, Oberstufenkoordinator der Theodor-Körner-Schule in Bochum. Die Idee, G8 und G9 parallel anzubieten, hält er für besonders schlecht: „Wir haben jetzt schon mit dem Doppeljahrgang 2013 genug zu tun: dieser Aufwand jedes Jahr wäre eine zu große Belastung.“ Höchstens sehr große Schulen könnten die Organisation zweier Abiturjahrgänge stemmen. „Im Grunde ist das aber keine Option.“

Und die SchülerInnen?

Schülerinnen und Schüler bleiben vorerst bildungspolitische Versuchskaninchen: G8 und G9 an einer Schule? Mit G9 an der einen und G8 an der anderen? Zwei BewerberInnen um einen Arbeitsplatz, wer bekommt die Stelle, „Turbo-Abi“ oder G9?  Ingmar Wichert glaubt nicht, dass Personalchefs hier einen Unterschied machen werden. Fraglich sei noch, ob SchülerInnen, die das G8 nicht schaffen, dann zum G9 wechseln können. „Ein weiteres Problem könnte entstehen, wenn mehr als zehn Prozent der Schulen mitmachen wollen. Dann muss ein Gesetz vorgelegt und im Parlament abgestimmt werden“, so Wichert weiter. Der konservative Philologenverband warnt, dass Gymnasien künftig eingeteilt würden in eine erste und zweite Ordnung. In den Medien kursiere bereits das Schlagwort vom „Langsam-Abi“. Von klaren Verhältnissen für Lernende und Lehrende an Gymnasien kann also weiterhin nicht die Rede sein.

 

 

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