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Die Polizei musste die Aufmarschstrecke der Nazis verlegen, da an der geplanten Route zahlreiche GegendemonstrantInnen postiert waren. Nach Polizeiangaben sollen es 150 gewesen sein, das „Dortmunder Antifa Bündnis“ spricht von 200 Nazi-GegnerInnen. Nach Angaben der Polizei wurde bei der Routenänderung der Rechten mit deren Veranstalter „kooperiert“ – die Rechten sollen angesichts der möglichen Straßenblockaden also zugestimmt haben, dem Protest auszuweichen. In deren nachträglicher Darstellung klingt das freilich anders: Von „Polizeiwillkür“ ist die Rede und davon, dass es überhaupt keine GegendemonstrantInnen gegeben habe. Das recht eigenwillige Verhältnis zur Realität hat bei den Dortmunder Nazis Programm: In jeder ihrer Erklärungen zeichnen sie ein Bild, in dem sie als Speerspitze der in Gänze hinter ihnen stehenden deutschen Bevölkerung agieren würden und in der ihre Machtergreifung nur durch die von finsteren Mächten gesteuerten Polizei verhindert werde. Dieser Wahrnehmungsschablone entspringt auch das vermeintliche Engagement der Rechten für „Meinungsfreiheit“, wenn die Polizei rechte Hetz-CDs beschlagnahmen will.

Mordaufruf als freie Meinung?

Bei „Gigi und die braunen Stadtmusikanten“ handelt es sich trotz des selbstironisch anmutenden Titels keineswegs um harmlose Spaßmusik, sondern um eindeutige NS-Verherrlichung, reinsten Rassismus und Drohungen gegen Andersdenkende – verpackt in mitgröhltaugliche Schunkelsongs. Die braunen Stadtmusikanten bedienen sich dabei der Musik populärer Schlagerstücke, singen darauf aber Lobeshymnen auf NS-Kriegsverbrecher oder Hasstiraden gegen Historiker, die sich mit den Verbrechen des Nationalsozialismus befassen. Die Internetseite „Turn it down!“, die sich mit der extrem rechten Musikszene befasst, vermutet hinter der Band ein Nachfolgeprojekt der „Zillertaler Türkenjäger“, die bereits während der Schlagerwelle Mitte der 90er Jahre Mordaufrufe im Schunkelgewand auf CDs pressen ließen und nach der Indizierung und späteren Einziehung teils auch über den Rand der rechten Szene hinaus auf Schulhöfen Verbreitung fanden. Das Konzept ist offensichtlich: Die Einladung zum Mitgröhlen von Anrüchig-Verbotenem als Einstiegsdroge in die extrem rechte Gedankenwelt.

Kommerzielle Interessen

Dass die braunen Stadtmusikanten in ihren Texten geringfügig zurückhaltender sind als ihr Pendant aus den 90ern, dürfte vor allem kommerzielle Gründe haben: Mit einer CD, gegen die ein Beschlagnahmebeschluss von Seiten des Staates vorliegt, lässt sich nur noch schwer Geld machen. Der Verkauf unter der Ladentheke ist weniger einträglich und mühsamer als das Einstellen in einen Shop im Internet. Das Wehklagen der Dortmunder Nazis und ihrer Führungsfigur Dennis Giemsch, der gleichzeitig auch Inhaber des rechten Versandhandels ist, dürfte seinen Grund wohl auch in der Sorge um die eigene Brieftasche haben. Die Dortmunder ARGE hat wegen der verschleierten rechten Ausrichtung des Versands erst letztens Fördermittel zurückverlangt. Der jetzige Rückschlag bei der Erweiterung des Sortiments um rechte CDs dürfte da ärgerlich sein. Anders lässt sich wohl auch die trotzig anmutende Reaktion der Nazis nach der Demo am Samstag nicht erklären: Sie haben für Heiligabend, Silvester und Neujahr weitere Aufmärsche angekündigt – auch eine Möglichkeit, etwas gegen Einsamkeit an Feiertagen zu tun.

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