Durch die Bündelung der Print- und Onlineinhalte wollte die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) Online-Marktführer werden, verkündete die Verlagsgruppe im November 2008. Zum Ende des Monats, also fast drei Jahre später, schaltet DerWesten.de seine Online-Community ab, führt die Registrierungspflicht für Kommentare ein und verabschiedet sich von ihrem Kulturportal „Westropolis“. Immer wieder musste der Konzern zudem Schelte für die Diskussionskultur auf seiner Seite und die mangelhafte Aktualität im Regionalen einstecken.
Das Medium machts
Wenn Zeitungsredaktionen für ihre Netzportale einfach PrintjournalistInnen online einsetzen, bleibt oftmals unberücksichtigt, dass gerade die Form des Mediums bestimmt, was inhaltlich möglich ist. Da genügt es nicht, Gedrucktes einfach ins Netz zu setzen. In der Form des Mediums liegt nicht nur seine Begrenzung, sondern auch sein spezifisches Potential. Nur wer sich an den Grenzen und Möglichkeiten eines Mediums orientiert, kann es sinnvoll nutzen und im besten Falle einen gehaltvollen Mehrwert für seine LeserInnen generieren.
Vernetzung, nicht Verwirrung
Die Onlinepräsenzen großer Zeitungen wie Der Spiegel, Zeit oder Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) sind vor allem deswegen so erfolgreich, weil sie überregionale Nachrichten kompetent aufbereiten. Um ihr Angebot zu ergänzen, nutzen sie die spezifischen Möglichkeiten des Webs wie Hyperlinks, Videos und Podcasts – und zwar sinnvoll. Das Ziel ist Vernetzung, nicht Verwirrung. Dabei setzen sie auf Aktualität und verknüpfen ihre Inhalte mit sozialen Netzwerken und anderen Webdiensten wie Twitter. Wer sich über Themen mit globaler Relevanz informieren will, klickt nicht auf DerWesten.de, sondern schaut bei FAZ & Co vorbei.
Gedruckt ist nicht gleich gebloggt
Das Alleinstellungsmerkmal der WAZ war lange die regionale Berichterstattung. Auf diesem Gebiet kämpft die Verlagsgruppe jedoch zusätzlich mit der Konkurrenz vom Typ Lokalblog. Mit DerWesten.de wollte man bei den Großen mitspielen und vernachlässigte dabei die regionalen Wurzeln. In der Vergangenheit verzettelte sich DerWesten vor allem mit dem Spagat zwischen diesen beiden Polen. Beschwerden über mangelnde Qualität bei überregionalen Themen und fehlende Aktualität in der lokalen und regionalen Berichterstattung folgten.
Fachwissen und Recherche
Zu viele Angebote im Internet und im Printjournalismus sind austauschbar. Deswegen gilt es, auf exklusive Nachrichten, die zur jeweiligen Medienmarke passen, zu setzen. Dabei ist man jedoch mit kompetent arbeitenden JournalistInnen, die qualitativ hochwertige und originäre Informationen produzieren, besser beraten als mit Gehaltskürzungen, Stellenabbau oder sonstigen Einsparungen, die Unternehmensberatungen stattdessen gerne empfehlen. Fachwissen und fundierte Recherche kosten Zeit und Geld. Das gilt sowohl für die Herausforderungen des Printjournalismus, aber noch sehr viel mehr für den Bereich des Onlinejournalismus. Denn hier ist nicht nur fachliches Wissen über die Eigenheiten digitaler Medien gefragt, sondern auch Kompetenz im Recherchieren und Sichten von Informationen aus dem Netz gefordert. Im Internet wird zwar jede Menge gefährliches Halbwissen produziert, aber es bietet auch die Möglichkeit der flexiblen Vernetzung mit ExpertInnen unterschiedlichen Schlages. Es ist die Symbiose aus fachlicher, lokaler und digital-medialer Kompetenzen, die Synergieeffekte möglich macht, aus denen sich künftig tragfähige Geschäftsmodelle für Onlinemedien entwickeln werden können.
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