Landesweit fordern sie zu Hunderten ihr Recht auf angemessene Bezahlung und Gleichbehandlung ein. Die Hebammen wollen ihrem Ärger Luft machen und über ihre Situation informieren. Anlässlich der NRW-Streikaktionen versammelten sich auch in Bochum etwa 150 Menschen auf dem Dr.-Ruer-Platz. Unterstützt wurden die Geburtshelferinnen dabei von zahlreichen werdenden Müttern, Frauen und Kindern. Denn jene sehen sich ebenfalls von den Schwierigkeiten der Hebammen betroffen, da sie diejenigen sind, die vom Angebot der Hebammen Gebrauch machen und somit auf die Kompetenz und die Betreuungsleistungen dieses Berufsstands angewiesen sind. In Deutschland hat jede Frau das Recht auf freie Wahl der Geburtshilfe. Die Gewährleistung dieses Rechts scheint nun angesichts der schwierigen Arbeitssituation der Geburtshelferinnen gefährdet.
Haftpflichtprämien erhöht
Schon 1890, beim ersten deutschen Hebammentag in Berlin, ging es hauptsächlich um das Einkommen. Denn seit Geburtshilfe für Ärzte zum Pflichtfach geworden war, verdienten die Hebammen nur noch einen Hungerlohn. Daran hat sich bis zum Jahr 2011 nicht viel geändert. Der durchschnittliche Stundenlohn einer Hebamme liegt heute bei 7,50 Euro. Das gilt sowohl für diejenigen, die als Festangestellte im Kreißsaal arbeiten als auch für jene, die freiberuflich Familienbetreuungen übernehmen. Männer verdienen in vergleichbaren Berufen noch immer deutlich mehr. Zudem wurden die Kosten für die Berufshaftpflichtversicherung in den vergangenen drei Jahren um mehr als 200 Prozent erhöht. Die Versicherungsprämie liegt im Jahr bei etwa 3.700 Euro. Einen solchen Betrag können nur wenige Hebammen von ihrem Verdienst entrichten.
Erschwerte Arbeitsbedingungen
Zudem dürfen sie den Krankenkassen die Kosten für bestimmte Laboruntersuchungen nicht mehr in Rechnung stellen. Dazu gehört etwa die Blutuntersuchung bei der Schwangerenvorsorge. Kommt es bei einer Hausgeburt zu Komplikationen, sind Hebammen seit vergangenem Jahr dazu verpflichtet, zunächst einen Notarzt zu rufen, damit dieser den Krankentransportschein ausfüllt. Entscheidet die Hebamme, dass dies zu lange dauert, werden ihr die Kosten für den Krankenwagen in Rechnung gestellt, sollte kein Transportschein vorliegen. Von etwa 30 Bochumer Hebammen bieten nur noch vier Geburtshilfe an. Das Geburtshaus in Witten musste bereits schließen und ist nun keine Anlaufstelle für Schwangere mehr.
Warten auf Rösler
Viele Hebammen müssen ihren Beruf wegen der viel zu geringen Entgelte aufgeben. Sowohl Männer als auch Frauen befürchten nun, dass dies zu erheblichen Versorgungslücken bei der Geburtshilfe führen könnte. Die Krankenversicherungen und Bundesgesundheitsminister Phillip Rösler (FDP) wissen um die Situation der Hebammen. Reaktionen blieben bislang jedoch aus. Die Grünen und die Linksfraktion erklären sich solidarisch mit den Geburtshelferinnen. Astrid Platzmann Scholten, die gesundheitspolitische Sprecherin der grünen Ratsfraktion, erklärte dazu: „Als Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe weiß ich, wie wichtig freiberuflich tätige Hebammen sind. Denn nicht alle Frauen wollen ihre Kinder im Krankenhaus zur Welt bringen. Wir fordern den Bundesgesundheitsminister auf, sich endlich für eine angemessene Honorierung der geburtshilflichen Leistungen stark zu machen.“ Heike Schneppendahl, Mitglied des Vorstandes der Linken in Bochum, findet noch drastischere Worte: „Dass die hochqualifizierten Hebammen trotz ständiger Rufbereitschaft und hoher Verantwortung für das menschliche Leben von den Krankenversicherungen so geringe Gebühren erhalten, dass sie davon nicht existenzsichernd leben können, ist ein Skandal!“. Die Streikaktionen gehen weiter bis zum Equal-Pay-Day am 25. März. Für den Tag ist von 11 bis 14 Uhr eine Abschlussaktion vor dem Kölner Geburtshaus in Ehrenfeld geplant.
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