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17 Millionen Euro Schulden haben die Altenheime angehäuft, und jährlich werden es mehr. Eine strukturelle öffentliche Unterfinanzierung des Sozialsektors nennen das die Einen – schlechtes Wirtschaften die Anderen, schließlich würden es andere BetreiberInnen schaffen, mit den zur Verfügung stehenden Pflegesätzen kostendeckend zu arbeiten. Nach den Berechnungen der Consultingfirma sollen die Betriebe in einer Art Teilprivatisierung so umstrukturiert werden, dass sie innerhalb von zehn Jahren eine schwarze Null schreiben. Die Idee: Die Stadt gründet eine gemeinnützige GmbH, die zu 100 Prozent der Stadt gehört. Teil dieses Plans ist es unter anderem, die Heime durch Modernisierungen attraktiver zu machen, um den teuren Leerstand zu reduzieren. Das sei unter der Regie einer GmbH leichter möglich.

Wenn die Stadt Enkel bekommt

SPD und Grüne betonen, dass sie die Ausgliederung möglichst ohne Verschlechterung für die Beschäftigten umsetzen wollen. Dennoch lehnt die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di die Pläne bisher ab. „Wir befürchten, dass der wahre Grund die Möglichkeit einer verstärkten Outsourcing-Politik nach Gründung der GmbH ist. Die Prekarisierung der Beschäftigungsverhältnisse wäre die Folge.“, sagt Gudrun Müller, Geschäftsführerin der ver.di Bezirkes Bochum-Herne. Solche Folgen drohen derzeit zum Beispiel in der Nachbarstadt Dortmund, wo die Altenheime bereits seit Jahren von einem städtischen Tochterunternehmen betrieben werden. Auch dort hatten die Betriebsräte umfassende Garantien für die Beschäftigten durchgesetzt: Die gemeinnützige GmbH wurde verpflichtet, die Angestellten zu den vorher geltenden Tarifen weiter zu bezahlen, außerdem gab es ein Rückkehrrecht für nicht mehr benötigte Arbeitskräfte zur Stadt. Negative Auswirkungen zeigen sich dadurch erst Jahre später – nämlich, als die städtische Tochter Planungen auf den Tisch brachte, selbst Teilbereiche in Tochterunternehmen auszusourcen. In diesen städtischen Enkelunternehmen gelten die Garantien dann nicht mehr automatisch. Gleichzeitig sind diese Ausgründungen zweiten Grades jedoch politisch viel einfacher durchzusetzen, als wenn die Heime noch direkt von der Stadt betrieben würden.

Somit ist es durchaus verständlich, dass die Beschäftigten der Bochumer Alten- und Pflegeheime die Demonstration am 1. Mai dazu nutzten, um gegen die Pläne zu protestieren. Mit einem eigenen Demoblock sowie mit Transparenten und Schildern haben sie am Tag der Arbeit die Öffentlichkeit auf ihre Situation aufmerksam gemacht. Besonders ärgern sich die GewerkschafterInnen darüber, dass die Empfehlung des Consulting-Büros eins zu eins in die Beschlussvorlage der Verwaltung übernommen wurde, ohne näher auf die sich längerfristig ergebenen Gefahren für die Beschäftigten einzugehen. „Lohndumping, Tarifflucht und eine allein an Marktprinzipien ausgerichtete Unternehmenspolitik vertragen sich nicht mit der von der Politik eingeforderten Qualität der Pflege in den städtischen Einrichtungen.“, erklärte die zuständige Gewerkschaftssekretärin Pamela Strutz.

Alles nur Sachzwänge?

Auch das  von ver.di maßgeblich mitgetragene „Bochumer Bündnis für Arbeit und soziale Gerechtigkeit“ hat den Stadtkämmerer Manfred Busch (Grüne) eingeladen, um über die Befürchtungen zu sprechen – ohne konkrete Ergebnisse. Busch stimmte der grundsätzlichen Forderung des Bündnisses zu, dass der Staat sich nicht durch Steuersenkungen kaputt sparen dürfe, sondern mehr Geld im Sozialbereich investieren müsse. Das sei jedoch keine Entscheidung, die auf  kommunaler Ebene getroffen werden könne – ein Argument, das von LokalpolitikerInnen fast aller Coleur regelmäßig zu hören ist, ohne dass sie jedoch den verantwortlichen PolitikerInnen ihrer Parteien bei überregionalen Wahlen die Unterstützung entziehen. Nicht zuletzt geht die Finanzmisere im sozialen Bereich nach wie vor auch auf Steuersenkungen zurück, die bereits von SPD und Grünen in ihrer Regierungszeit auf Bundesebene durchgesetzt worden sind – nach der tatkräftigen Unterstützung der lokalen Parteigliederungen im Wahlkampf.

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