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Bereits am 15. Mai gingen unter dem Motto „Wir sind kein Spielball von Politiker_innen und Banker_innen” etwa 130.000 Menschen in 60 spanischen Städten auf die Straße und besetzten danach die Stadtzentren. Mit Ausnahme von Madrid, wo von „verhältnismäßig heftigen Auseinandersetzungen“ mit Polizeikräften berichtet wurde, blieben direkte Konfrontationen mit der Staatsmacht die Ausnahme. Trotz einer nachfolgenden Illegalisierung der Proteste durch die spanische Regierung entwickelte sich das spontane aktivistische Experiment rasch zur Massenbewegung und eine polizeiliche Beendigung der Aktionen schien zunächst nicht durchsetzbar.

Madrid: Solidarisierung nach Räumung

Als zwei Tage später Polizeieinheiten das Protestcamp in Madrid an einem Dienstagmorgen auseinanderknüppeln, strömen noch am selben Abend mehrere tausend Menschen zur „Puerta del Sol“, um das Camp am zentralen Platz gegenüber dem Präsidentensitz der Madrilenischen Landesregierung bis auf weiteres zu erneuern. Die Besetzung des Tahir-Platzes im Zuge der „Ägyptischen Revolution“ dürfte hierbei nicht nur in der spanischen Hauptstadt Vorbildcharakter für die Aktivist_innen haben: Auch ein am 16. Mai in Barcelona errichtetes Protestcamp nahm in der Folgezeit dauerhaften Charakter an. Es wurde berichtet, dass schon wenige Tage später „weit über 10.000 Menschen“ die täglichen Vollversammlungen besuchten.

Revolutionäres Wutbürgertum?

Was sich in Spanien Bahn bricht und zur Massenbewegung auswächst, kann als eine Mischung von antikapitalistischem Revolutionsgeist und wutbürgerlichem Unmut charakterisiert werden. Angesichts einer Jugendarbeitslosigkeit von über 40 Prozent ist es nicht weiter verwunderlich, dass die Proteste gerade von jungen Menschen starken Zulauf erfahren. Weit auseinander klafft jedoch das Spektrum der politischen Forderungen, die von einer wünschenswerten Demokratisierung des bestehenden Systems bis zur Abschaffung der politischen Klasse als solcher reichen. Deren Vertreter_innen – egal welcher Richtung – haben es bislang jedenfalls nicht geschafft, die Proteste für sich zu vereinnahmen.

Lokal handeln

Wegweisend ist das Prinzip selbstbestimmten lokalen Handelns: So wird an einigen Orten versucht, neben kommunalen möglichst auch Stadtteil-Vollversammlungen („asambleas de barrios“) aufzubauen, um die Bewegung von unten nach oben wachsen zu lassen. „Das Organisierungsmodell basisdemokratischer Vollversammlungen soll in alle Stadtteile Madrids exportiert werden”, so ein_e Sprecher_in des Camp Sol. Als Konfliktpunkt erwies sich jedoch der Versuch, der Bewegung „Gesichter“ zu geben und Einzelnen Sprecher_innenfunktionen anzuvertrauen. Während dies in Madrid so gehandhabt wird, wollen beispielsweise die Aktivist_innen in Barcelona die kritisierten Systemdefekte repräsentativer Demokratie nicht wiederholen und sprechen sich gegen ein Delegieren von Entscheidungen an einzelne Vertreter_innen aus.    

Internationale Perspektiven?

Als auch nach dem politischen Rechtsruck durch die spanischen Regio­nalwahlen vom 22. Mai eine erwartbare Repressionswelle gegen die Bewegung zunächst ausblieb, sprachen sich die Vollversammlungen der großen Protestcamps in Madrid und Barcelona für eine Fortführung der Aktionen aus – so etwa in der katalanischen Provinzhauptstadt bis zum 15. Juni. Internationale Effekte der Protestbewegung blieben zunächst aus. Auch hierzulande blieb die Medienberichterstattung über die Entwicklung in Spanien sparsam, während sich „Stuttgart 21“ einmal mehr als Dauerbrenner erwiesen hatte. „Das derzeit noch wirtschaflich gut funktionierende Deutschland ist Teil des Problems“, kommentiert ein „Anarchist“ die mangelnde solidarische Unterstützung der spanischen Proteste. Erst eine gewaltsame polizeiliche Räumung des Camps in Barcelona am 27. Mai sorgte nicht nur einmal mehr in ganz Spanien, sondern in den beiden nächsten Tagen auch in Frankreich, England, Griechenland und sogar auf Island für eine Welle solidarischer Proteste, während die Solidarisierung in Deutschland eher schleppend anlief.

Zensur-Vorwürfe

Während die Proteste in Spanien einstweilen weitergehen, bleibt die Nachrichtenlage spärlich. Im Netz treibt die Informationslage gegenwärtig wilde Blüten: So kursieren Nachrichten, dass eine „Veranstaltungsankündigung für die ´European Revolution` am 5. Juni“ auf einer gleichnamigen Facebook-Seite gelöscht worden sei. Von „massiver Zensur aller medialen Kanäle“ ist gar die Rede. Doch eine Netzaktivistin ist sich ganz sicher, „warum das alles passiert“: „Es findet gerade der vielleicht erste Weltrevolutionsversuch in der Geschichte der Menschheit statt.“ Man darf also weiterhin gespannt nach Spanien blicken.

takethesquare.net

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