Bild:

Auch für die Antifa-Recherche war Zimmer ein Gewinn – er hatte gut hundert Fotos seiner „Facebook-FreundInnen“ öffentlich zugänglich gemacht. So dumm sind allerdings nicht alle Nazis. Viele nutzen die Social Networks recht erfolgreich. Mit einer Veranstaltung möchte ein Bündnis aus fünf Bochumer Initiativen und Organisationen auf diese rechten Umtriebe aufmerksam machen.

Anfang dieser Woche konnte die Bochumer NPD bei Facebook 206 Nazis und Gliederungen ihrer Partei verzeichnen, denen sie „gefällt“. Die Facebook-Seite der Bundespartei hat gleichzeitig 7.431 Fans. Das klingt zunächst viel, relativiert sich allerdings schnell, wenn man sieht, dass die Seite „Kein Facebook für Nazis – NPD Seite löschen“ zum gleichen Zeitpunkt mehr als 437.000 UnterstützerInnen hat. Die Facebook-Verantwortlichen lassen sich allerdings von der fast halben Million ihrer NutzerInnen nicht beeindrucken. Schließlich ist es lukrativ, wenn sich Leute massenhaft über die Nazi-Präsenz beschweren – und damit eine attraktive Zielgruppe für Werbekunden bilden, deren Anzeigen auch auf der Anti-NPD-Seite eingeblendet werden.

Social Networks wie Facebook, MySpace und wer-kennt-wen haben bisher kein kommerzielles Interesse daran, Nazi-Seiten offensiv zu löschen. Die Netzwerke verschaffen den Neonazis ein modernes Image und helfen den Kameraden, sich weiter zu vernetzen. In eigens geschaffenen Gruppen gestalten Neonazis einen virtuellen Sozialraum: Sie tauschen Materialien und Termine aus, organisieren Aufmärsche und „Nationale Grillabende“. In hunderten Gruppen verknüpfen sie „populistische“ Forderungen mit neonazistischen Parolen. In den Social Networks wird nachvollziehbar, wie neonazistische Identiät in ein „ganz normales“ Alltagsleben eingepasst werden kann – bestehend aus Techno-Event und Freiwilliger Feuerwehr. Insbesondere bei SchülerVZ gab es in der Vergangenheit häufig Gruppen mit Namen wie „Ausländer raus“ oder „Deutsches Reich”. Hier werden solche Seiten allerdings gelöscht, wenn sich genügend UserInnen beschweren. Ein Filtersystem gegen Nazi-Propaganda hat jedoch keines der Social Networks. Es gibt halt kein kommerzielles Interesse daran, Nazis zu verjagen.

Eigentlich können Nazis auch nicht so richtig „FreundInnen“ von Facebook sein. Im Szene-Jargon wird die Plattform auch häufig „Jewbook“ genannt. Denn Facebook-Gründer Mark Zuckerberg vereint alle Eigenschaften, die Neonazis hassen: Ein amerikanischer Jude, der als erfolgreicher Geschäftsmann weltweit tätig ist. Um so absurder erscheint die Tatsache, dass die Rechtsextremen sich überhaupt in Zuckerbergs Welt bewegen. Gelegentlich wird der Verstoß gegen die rechtsextreme politische Korrektheit zwar thematisiert, doch der Pragmatismus siegt: Facebook gehört zum Alltag, genauso wie Mobiltelefone und E-Mails es tun.

Patrick Gensing analysiert auf der Webseite Netz gegen Nazis die Neonazi-Aktivitäten zutreffend: Facebook mache „die Eintönigkeit der rechtsextremen Propaganda deutlich“: Diverse NPD-Funktionäre veröffentlichten „fast identische Einträge, sie hetzen immer wieder gegen 68er und bejammern die angeblich fehlende Meinungsfreiheit in Deutschland, um dann zu vermelden, man habe vor Gericht mal wieder gegen die Politmafia gesiegt.“ Massentauglich sei das kaum. Facebook diene viel mehr dazu, „die Anhängerschaft schnell zu informieren, an die Partei zu binden und zu zeigen: Wir sind auch hier aktiv!“ Die Facebook-Seiten seien „die virtuellen Info-Center, bei denen potenzielle Anhänger anklopfen können und postwendend mit Kontakten und Material versorgt werden.“ Das gilt übrigens auch weiterhin für den verurteilten Bochumer Neonazi-Jungfunktionär André Zimmer: Er agitiert unter einer neuen antisemitischen Adresse weiterhin bei Facebook – offen und dümmlich wie vorher. Andere sind gefährlicher und müssen sehr genau beobachtet werden.

Nazis, Facebook & Co – Die extreme Rechte in Social Networks
Vortrag und Diskussion
Donnerstag, den 14. Juli, 18.30 Uhr
Volkshochschule im Gertrudiscenter, Alter Markt 1, Bo-Wattenscheid

0 comments

You must be logged in to post a comment.