Die Nacht bricht an in Sesimbra, einer Kleinstadt mit etwa 50.000 Einwohnern. Sie liegt direkt am Atlantik und gehört zum Distrikt Setúbal im Südwesten der Iberischen Halbinsel. Ein Anwohner erklärt, Politik werde in Portugal nicht immer mit bitterer Ernsthaftigkeit begangen: „Es sieht aus wie eine Demonstration, aber es ist eine Party.“ Probleme mit Kirchen haben portugiesische Kommunisten nicht unbedingt. Als Bündnispartner kooperieren sie, um gemeinsame Ziele durchzusetzen. Religiöse Fragen werden trotzdem kritisch diskutiert. Obwohl formal etwa 95 Prozent der Bevölkerung katholisch sind und christliche Symbolik allgegenwärtig ist, hängt der eine oder andere seine Jacke beim Betreten der Kirche auch schon mal über den Kopf einer nichtsahnenden Jesus-Skulptur. Die Jugend respektiert die religiösen Gefühle ihrer Elterngeneration, wendet sich selbst aber tendenziell von kirchlichen Organisationen und Ritualen ab.
Salazar und der Neue Staat
Setúbal gilt als Hochburg der Politikparty feiernden PCP. Die Partei setzt sich bis heute für eine Landreform ein und kümmmert sich damit um die landlosen Bauern, die in dieser Region leben. Die PCP ist eine der ältesten noch aktiven Parteien Westeuropas und hat ihre Wurzeln in der ArbeiterInnen- und Gewerkschaftsbewegung. Gegründet wurde sie 1921. António de Oliveira Salazar brachte Portugal 1926 eine Militärdiktatur und verbot die Partei, die jedoch in der Illegalität weiter bestand. Der so genannte Estado Novo (Der Neue Staat) unter der Führung Salazars verdrängte die Erste Republik Portugals zugunsten einer konservativ-autoritären Diktatur mit Pressezensur sowie Partei- und Streikverbot. Erst nach der Nelkenrevolution vom 25. April 1974 wurde das Parteiverbot der PCP wieder aufgehoben und die Diktatur beendet. Heute gilt die PCP als radikalere Variante der gemäßigten Linken Portugals. Diese heißt CDU (Coligação Democrática Unitária), ist mit den Grünen vergleichbar und Teil der Vereinten Demokratischen Koalition. Derzeit ist die bürgerliche PSD die stärkste Kraft im portugiesischen Parlament.
Der Weg raus
Vor der Nelkenrevolution waren Universitäten der aristokratischen Elite vorbehalten. Mittlerweile sind die Zugangsbedingungen offener. Deswegen versucht die Jugend der drohenden Erwerbslosigkeit mithilfe von Ausbildungen oder einem Studium zu entkommen. Doch an ein ausreichendes Einkommen zu gelangen, ist schwierig in Portugal. Junge Leute arbeiten in der Gastronomie in den Tourismusgebieten und stemmen an Wochenenden jeweils eine 16-Stunden-Schicht pro Tag und verdienen damit etwa 60 Euro an einem Wochenende, während ein Kaffee 65 Cent, ein Bier einen Euro kostet und eine Schachtel Zigaretten für 3,50 Euro zu haben ist. In touristisch eher unerschlossenen Gegenden des Nordens fahren Fischer noch jeden Morgen mit ihrem kleinen Boot raus auf den atlantischen Ozean, um ihr Dorf mit der täglichen Ration Fisch und Meerestier zu versorgen.
Eine Million verschwiegen
Nicht nur in Lissabon und Porto erinnern alte Hafenanlagen, Museen und Denkmäler an die Zeit, in der Portugal mit seiner Armada noch eine erfolgreiche Seemacht war. Heute hat das Land mit Staatsverschuldung und einem desolaten Finanzhaushalt zu kämpfen. Im April dieses Jahres beantragte die portugiesische Regierung Finanzhilfen von der EU. Jüngst sorgte ein weiterer Finanzskandal für Aufregung. Neben Portugal selbst ist auch die zugehörige Inselgruppe Madeira mit insgesamt fünf Millionen Euro verschuldet. Eine Million wurde bislang vornehm verschwiegen. Schon vor der Finanzkrise fiel Portugal im EU-Vergleich mit einem besonders niedrigem Wirtschaftswachstum und sinkender Produktivität auf. Die Gewerkschaften setzen sich jedoch erst jetzt für Lohnerhöhungen ein. Der wichtigste Handelspartner ist das Nachbarland Spanien und das steckt noch viel tiefer in der Krise.
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