„Dieses Semester muss leider noch bezahlt werden, aber wenn die Landtagskoalition ihre Versprechen hält, dann können wir unsere Kraft demnächst wieder auf andere ungelöste Probleme konzentrieren“, sagt der AStA-Vorsitzende Jan Keitsch. Denn Probleme gibt es an der RUB auch ohne Studiengebühren genug: Chronische Raumnot, störanfällige Datenerfassungssysteme wie VSPL, Anwesenheitspflicht und zu wenig Master-Plätze sind nur einige der Baustellen.
Trotzdem ist eine Abschaffung der Gebühren ein Erfolg, für den die Studierenden lange gekämpft haben. Mit Protestaktionen, Studierendenstreiks und Demos haben sie mit dafür gesorgt, dass das Thema für die neue Landesregierung weit oben auf der Agenda stand. Umstritten war im Landtag allerdings bis zuletzt die Höhe der geplanten Ausgleichszahlungen, mit denen das Land die Hochschulen für das wegfallende Geld entschädigt. So forderte die Linksfraktion eine Kompensation in Höhe von 450 Millionen Euro, während der rot-grüne Gesetzentwurf lediglich 249 Millionen vorsieht.
Kritik an Ausgleichszahlungen
SPD und Grüne wollen den Unis jeweils 320 Euro pro Studi bezahlen, und auch nur, wenn er oder sie sich innerhalb der 1,5-fachen Regelstudienzeit befindet. Für ältere Semester soll es kein Geld geben – Kritiker_innen sehen darin einen ökonomischen Anreiz, um ältere Semester, die zum Beispiel faktisch ein Teilzeitstudium praktizieren, hinauszubefördern. Über die Studiengebühren haben die Hochschulen bisher netto 430 Euro pro Semester und Studi kassiert. Auf alle Fälle jedoch sollen die NRW-Hochschulen nach einer Gebührenabschaffung wesentlich besser dran sein als die hessischen Unis und Fachhochschulen. In Hessen gab es keinerlei Kompensationszahlungen, nachdem die damalige rot-rot-grüne Mehrheit unmittelbar nach der Landtagswahl 2008 die von Schwarz-Gelb eingeführten Studiengebühren gekippt hatte.
Raumnot ohne Ende
Wie an vielen anderen NRW-Hochschulen haben auch die Studierenden an der Ruhr-Uni insbesondere in den Geisteswissenschaften weiterhin mit vollen Lehrveranstaltungen zu kämpfen. Auch die Fertigstellung des neuen Gebäudes ID ändert daran nichts. Ob die ökologisch wie kommunalpolitisch umstrittenen Pläne zum Bau eines GD-Gebäudes für die Geisteswissenschaften bis zum Studienbeginn des doppelten Abiturjahrgangs 2013 tatsächlich umgesetzt werden können, ist mehr als unwahrscheinlich.
VSPL nervt
Auch das berühmt-berüchtigte Datensystem zur „Verwaltung von Studien- und Prüfungsleistungen“ (VSPL) hat sich in den Augen vieler Betroffener als ungeeignet erwiesen, um Kapazitätsprobleme bei der Belegung von Veranstaltungen zu lösen. Stattdessen sorgt die teure Software vor allem für zusätzlichen Verwaltungsaufwand und unbezahlte Mehrarbeit der Lehrenden – und für mehr Stress bei den Studierenden, wenn Systemabstürze unnötige Luftbuchungen und Doppelbelegungen verursachen. Hier heißt es: Nicht ausrasten und auf bessere Zeiten hoffen – oder die Uni-Leitung mit Beschwerdebriefen eindecken.
Anwesenheitspflicht abschaffen
Kurz vor einer einheitlichen Lösung steht dagegen das Problem der Anwesenheitspflicht an der RUB. Die Studierendenvertretung moniert seit Jahren, dass es völlig unsinnig ist, Leute in massiv überfüllte Vorlesungen zu zwingen, wenn die Vorträge auch als Buch, Skript oder Podcast zur Verfügung stehen. Ein AStA-Rechtsgutachten hat sogar festgestellt, dass die Einschränkung der Freiheit der Lehre durch Anwesenheitspflichten unzulässig ist, wenn es sich nicht um Sonderveranstaltungen wie Exkursionen und Laborpraktika handelt. Nach den massiven Protesten während des bundesweiten Bildungsstreiks vor einem Jahr haben unter anderem die Uni Duisburg-Essen und die Humboldt-Uni Berlin die generelle Anwesenheitspflicht bereits ausgesetzt. An der Ruhr-Universität gelten nach wie vor von Fach zu Fach höchst unterschiedliche Regelungen. Doch auch Studienanfänger_innen tun sicherlich gut daran, für ihre Rechte einzustehen und engagiert für selbstbestimmte Bildung einzutreten.
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