Den Termin der Einschreibung werden sich die Unternehmen auch in diesem Jahr wieder rot angestrichen haben. Was läge auch näher, als den Beginn eines neuen Lebensabschnitts an der Uni auch mit einem neuen Handyvertrag, einer Kreditkarte oder einem Zeitungsabonnement zu beginnen? Die Rechnung der Firmen ist ganz einfach: Studierende sind die Besserverdienenden von morgen und schon jetzt ein milliardenschweres Zielpublikum. An den Hochschulen zu werben lohnt sich also eher als vor einer Arbeitsagentur. „Ich habe letztes Jahr versucht, einen Erstsemester bei der Einschreibung über eine Initiative zu informieren“, erzählt eine Studentin. „Das ging aber nicht, weil ein Promoter der Telekom kam und ihn praktisch weggezogen hat.“ Ähnliche Erfahrungen können Studierende der Ruhr-Uni fast jeden Tag machen. In der Mensa versuchen PromoterInnen von Comdirect Kreditkarten zu verkaufen, im GB-Gebäude werden Zeitungsabos an die Studierenden gebracht.
Bifi, Chips und Slipeinlagen
Bis vor zwölf Jahren war Werbung an den Hochschulen noch verboten. Dann verabschiedete der Bundestag ein neues Hochschulrahmengesetz. Wenig später fanden sowohl Firmen als auch die Hochschulleitungen heraus, dass sich damit gute Geschäfte machen lassen. An der Uni Frankfurt sind es in manchen Jahren bis zu 500.000 Euro. Anbieter, die Werbung an Hochschulen vermitteln, bieten nun den Unis gegen Provision Werbekunden an. Mit „attraktiven crossmedialen Bundle-Angeboten“ lockt etwa der große Anbieter Campusdirekt. Dazu gehört auch die Campustüte, die regelmäßig an der Ruhr-Uni verteilt wird. Nestlé, Unilever Bestfoods, Johnson&Johnson oder Dr. Oetker legen dann Jelly Bellys, Chips, Maggi oder Carefree-Slipeinlagen in die Tüte und hoffen, dass die Studierenden sie zukünftig kaufen. Die Ruhr-Uni ist Kundin des Unternehmens „Deutsche Hochschulwerbung“ – und verscherbelt damit die Kaufkraft der Studierenden an verschiedene Konzerne.
Lernen und kaufen
Auf dem Campus ständig von aggressiven Promoter-Innen angequatscht zu werden, kann auf die Nerven gehen. Das Leben von Studierenden wird kommerzialisiert, wo es nur geht. Zum Beispiel in der Community StudiVZ, oder in Kneipen, in denen PromoterInnen beim Biertrinken stören. Und eben an der Uni. Dabei gibt es an den Hochschulen zwei unterschiedliche Ebenen, auf denen der Kommerz Einzug hält: Einerseits ist es die Werbung auf dem Campus. Es werden aber auch ganze Lehrstühle, Hörsäle und Forschungsprojekte verkauft, die den Konzernen ständige Präsenz an der Hochschule und Beeinflussung der Wissenschaft möglich machen – und die Hochschulleitungen spielen ihnen nur zu gern in die Hände, um ein paar Tausend Euro zu sparen. Der berüchtigte Aldi-Hörsaal gehört etwa dazu, aber auch der neue Prof, den der Finanzinvestor 3i für 1,2 Millionen der Uni Frankfurt spendiert – und der unter anderem Private Equity erklären soll. Die International University in Bremen hat sich gleich in Jacobs University umbenannt. Und die Ruhr-Uni hat im letzten Jahr Räume in der Mensa in Stadtwerke-Saal und Sparkassen-Saal umbenannt. Dort, wo alles von Plakaten, Flyern und Tüten überquillt, bleibt nur wenig Platz für anderes. An der Ruhr-Uni dürfen nur noch an wenigen Stellen nichtkommerzielle Plakate hängen. Als „wild plakatiert“ wird alles bezeichnet, was nicht zu Geld zu machen ist.
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