Die Pflicht zur Anwesenheit in verschiedenen Lehrveranstaltungen war ein zentrales Thema des Bildungsstreiks der vergangenen Jahre. Die Proteste auf der Straße sind zwar zum Erliegen gekommen, die FachschaftsvertreterInnenkonfernez (FSVK) und der AStA beschäftigen sich jedoch weiterhin mit dem umstrittenen Thema der Anwesenheitspflicht. Die studentischen Gremien halten die sogenannte Studierfreiheit für gefährdet. Nach dem Gutachten der UDE, dass die Studierendenvertreter der RUB im Dezember 2009 erreichte, keimte Hoffnung auf, dass die Streichung der Anwesenheitspflicht zumindest für Vorlesungen endlich erreicht werden könnte, doch seither diskutieren FSVK und das Rektorat bis heute ohne Ergebnis.
Freiheit des Studiums
Das Rechtsgutachten, vom AStA in Auftrag gegeben und vom Rechtsanwalt Wilhelm Achelpöhler erstellt, fragt, inwieweit „sich Studierende auf die Gewährleistung einer „Studierfreiheit“ berufen können.“ Grundrechtlich ließe sich die Studierfreiheit aus den Artikeln 5 und 12 des Grundgesetzes ableiten. Die darin verankerte Wissenschafts- und Forschungsfreiheit schütze auch die „Lernfreiheit der Studierenden.“ Das beinhalte das Recht auf wissenschaftliche Betätigung der Studierenden. Das Bundesverfassungsgericht betonte, dass Studierende nicht bloße Objekte der Wissensvermittlung seien, sondern aktiv am Studium an der Hochschule mitwirkten. Die Lernfreiheit sei durch die selbständige Rolle der Studierenden geprägt, so das Rechtsgutachten: „Studierfreiheit bedeutet, dass die Studierenden eine Wahlfreiheit bei der Gestaltung des Studiums haben“, und weiter: „Auch die Art und Weise der Aneignung des wissenschaftlichen Lernens ist durch die Lernfreiheit geschützt.“ Lernfreiheit heißt, dass Studierende Lehrveranstaltungen, die sie für minderwertig erachten fernbleiben dürfen. Den Lernstoff für Prüfung können und sollten sie selbst erarbeiten. Auch das Hochschulrahmengesetz (HRG) kennt den Gegenstand der Studierfreiheit und vermittelt, dass die Studierfreiheit als „bestimmendes Merkmal“ des Hochschulwesens in Deutschland hervorgehoben wird.
„Die Anwesenheit muss einem legitimen Zweck dienen.“ Als Zweck definiert das Rechtsgutachten, die Befähigung zu wissenschaftlicher oder künstlerischer Arbeit, sowie berufliche Qualifikationen zu erlangen. Desweiteren müssen die Regelungen zur Anwesenheitspflicht verhältnismäßig sein. „Das seien sie nur dann, wenn sie geeignet sind, erforderlich und verhältnismäßig sind.“ Hier kommt das Rechtsgutachten zum selben Schluss wie das der UDE: Für Laborpraktika, Exkursionen oder Kolloquien sei eine Anwesenheitspflicht notwendig und gerechtfertigt, für Vorlesungen nicht.
Körper präsent, Geist weg
Einer der Diskussionspunkte ist, ob die Pflicht zur Anwesenheit somit niemals gegeben und sinnvoll ist. Theoretisch ist sie das nicht: Die körperliche Anwesenheit in einer Lehrveranstaltung als Leistung anzusehen, bedeutet, dass man die Anwesenden per se als „qualifiziert“ ansieht – und das nur auf Basis dessen, was in der Veranstaltung vermittelt wird. Das Gutachten kommt zum Schluss, „dass jede Anwesenheitspflicht eines Studierenden sein Recht auf freie Gestaltung der Lehrinhalte sowie die Auswahl zwischen verschiedenen Veranstaltungen beeinträchtigt.“
Fakten schaffen
Vom juristischen Gutachten der UDE zeigte sich das Rektorat der RUB bisher unbeeindruckt. Zwar plädierte die Prorektorin für Lehre Frau Prof. Dr. Uta Wilkens für eine Aufhebung der Anwesenheitspflicht nach dem Modell der UDE, doch konnte sich das Rektorat bisher nicht dazu durchringen, verbindliche Weisungen an die Fakultäten zu geben. Die FSVK diskutiert seit Beginn der Bildungsstreiks mit dem Rektorat über die Pflicht zur Anwesenheit. Da bisher kein Konsens, sondern nur eine Verlängerung der Diskussion erreicht wurde, hat die FSVK den AStA gebeten, das Gutachten erstellen zu lassen. „Wir haben die Diskussion mit dem Rektorat vorerst unterbrochen, um mit einem Rechtsgutachten endlich juristische Fakten zu schaffen, die uns jetzt hoffentlich weiterbringen“, so Sina Wunderlich, FSVK-Sprecherin. Das Gutachten soll dem RUB-Rektorat in den nächsten Tagen vorgelegt werden. Wenn das Rektorat dann trotz der als eindeutig festgestellten Tatsache, dass rigorose „Anwesenheitspflichten bei Veranstaltungen die Studierfreiheit einschränken“ nicht einlenkt, will der AStA das Rektorat der RUB wegen Verletzung der rechtlich zu gewährleistenden Studierfreiheit verklagen. Studierende, deren Studierfreiheit durch restriktive Regelungen zur Anwesenheitspflicht in ihren Prüfungsordnungen eingeschränkt wurde und wird können sich gerne an den AStA wenden, um eine Klage zu unterstützen. Der AStA übernimmt die Kosten und den Schriftverkehr des Verfahrens.
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