Das CHE behauptet zu wissen, woran das deutsche Hochschulwesen kranke und wie es zu kurieren sei. Mit Forderungen nach mehr Wettbewerb treibt es Ministerien, Unileitungen und andere EntscheidungsträgerInnen vor sich her. In der neuen Studie fordert der Think Tank aus dem beschaulichen Gütersloh mehr außeruniversitäre, also private und wirtschaftliche Forschungseinrichtungen für das Ruhrgebiet. Neben einem steigenden Einfluss wirtschaftlicher Interessen auf staatliche Bildungseinrichtungen fordert das CHE erneut Änderungen am Hochschulgesetz.
Harmlose Worthülsen?
Das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) wurde 1994 gegründet und ist eine gemeinsame Institution der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und der Bertelsmannstiftung. Die HRK sichert vor allem die Legitimität und die Bertelsmannstiftung sorgt für das Geld und die angeblichen ExpertInnen – und damit für die politische Linie. So ist das CHE einer der größten Vorkämpfer für Studiengebühren und die zunehmende Privatisierung des Bildungssystems. Auch das bestehende Hochschulfreiheitsgesetz geht auf Entwürfe des CHE zurück.
In dem neuen Regionen-Ranking verweisen Begrifflichkeiten wie „Wissensmetropole“ und „Wissensregion“ sowie die gewählten „Leistungsindikatoren“ auf das zugrunde liegende Konzept der Studie. Um im angeblichen Konkurrenzkampf der Regionen bestehen zu können, müsse das Ruhrgebiet seine Attraktivität steigern, so das CHE. Im Zuge dessen sei eine Änderung des Hochschulgesetzes notwendig, um die parallele Berufung von WissenschaftlerInnen an verschiedene Hochschulen zu ermöglichen. Damit angeblich exzellente WissenschaftlerInnen in der Region bleiben, soll auch das bisher bestehende Hausberufungsverbot gekippt werden. Um Bevorzugung und Klüngel möglichst zu vermeiden, können sich WissenschaftlerInnen, die bereits eine feste Stelle an einer Universität innehaben, nicht gleichzeitig auf eine Professur im selben Haus bewerben. Doch nicht nur diese Schutzvorkehrung gegen Vetternwirtschaft soll dem Konkurrenzdruck zum Opfer fallen, sondern auch die Fächervielfalt an einzelnen Unis: Wo sich das Angebot im Ruhrgebiet überschneide, könnten Studiengänge an einem der Orte wegfallen. Konsequent zu Ende gedacht bedeuten die CHE-Vorschläge also ein Ende der Volluniversitäten an der Ruhr.
Vorbild: Uni-Institut als GmbH
Weiter konstatiert das CHE: Der Ruhrregion mangele es an außeruniversitären Forschungseinrichtungen, zu wenige Professoren betreuten zu viele Studierende und die universitären Haushalte krankten an fehlender finanzieller Liquidität. Die Studie bescheinigt den Hochschulen des Ruhrgebiets jedoch „Potenzial in Forschung und Lehre“. Anstatt jedoch eine hinreichende öffentliche Finanzierung des Bildungssystems einzufordern, rät das CHE den Hochschulen, sich weiter gegenüber umsatzstarken Wirtschaftsunternehmen zu öffnen. Wie weit der Wunsch nach Privatisierung geht, zeigt sich an einem Paradebeispiel an der Uni Potsdam, welches das CHE den Ruhrgebiets-Unis als leuchtendes Vorbild ans Herz legt: Dort existiert mit dem Hasso-Plattner-Institut für Softwaresystemtechnik das bislang einzige völlig private Universitätsinstitut in Deutschland. Die als GmbH organisierte Einrichtung steht unter weitgehendem Einfluss der Stiftungen und Unternehmensgründungen des SAP-Gründers und Aufsichtsratsvorsitzenden Hasso Plattner. Demokratische Mitbestimmung zum Beispiel bei der Berufung von ProfessorInnen oder bei der wissenschaftlichen Ausrichtung spielen dafür eine noch geringere Rolle als im Rest der Hochschule.
Insgesamt sei festzustellen, dass die CHE-Botschaft auch jetzt schon an den Ruhr-Unis angekommen, beklagt der AStA-Vorsitzende der RUB Jan Keitsch. „Die Konstruktion einer Konkurrenzsituation übt Druck auf die lokal und regional verantwortlichen Politikerinnen und Politiker aus“, konstatiert der Studierendenvertreter. „Nur zu gerne gehen die auf den angeblichen Elite-Konkurrenzkampf ein, anstatt sich um Bildungsteilhabe und gesellschaftlich verantwortungsvolle Wissenschaft zu kümmern.“
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