An diesem Freitag könnte es zu einem Showdown im Bundesrat kommen. Roland Koch und der bayrische Ministerpräsident Horst Seehofer machen massiv Stimmung gegen die von vielen Studierenden sehnlichst erwartete BaföG-Erhöhung. Um 22 Euro soll der BaföG-Höchstsatz steigen, die Freibeträge bei Elterneinkommen sollen erhöht werden, Stipendien bis 300 Euro würden in Zunkunft nicht mehr angerechnet. Studierendenvertretungen hatten kritisiert, dass die längst überfällige Anpassung viel zu gering ausfalle und die soziale Situation vieler Studierender kaum verbessere. Doch nun rebellieren die Bundesländer selbst gegen diesen schwarz-gelben Minimalkonsens: Auf Antrag von Hessen und Bayern ist das Bildungspaket, zu dem auch ein bundesweites Stipendienprogramm gehört, im Finanzausschuss des Bundesrats mit breiter Mehrheit abgelehnt worden.
Jetzt geht’s los!
Unmittelbar nach der NRW-Wahl hatte Roland Koch ein „Ende der Behutsamkeit“ gefordert – also massive Kürzungen im Bereich der Bildung und Kinderbetreuung. Kein Wunder, dass bundesweite bildungspolitische Zusammenschlüsse wie das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS) das baldige Ende seiner Politischen Karierre begrüßten. „Mit seiner Rücktrittsankündigung zieht Roland Koch die richtige Konsequenz aus seiner jahre langen Fehlpolitik in allen Gesellschaftsbereichen“, sagte ABS-Sprecher Alexander Lang. „Wir fordern eine völlige politische Kehrtwende in Hessen. Wir fordern die Landesregierung Hessens auf, ihrem Ministerpräsidenten zu folgen und geschlossen zurückzutreten!“
Die Hoffnung darauf, dass sich die politische Landschaft durch das Ausscheiden der rechts-konservativen Gallionsfigur ändert, dürfte sich inzwischen auch bei den organisierten StudiengebührengegnerInnen zerstreut haben. Kochs Nachfolger als Ministerpräsident soll der bisherige hessische Innenminister Volker Bouffier werden. Der rechte Hardliner trat in der Vergangenheit als entschiedener Verfechter einer „deutschen Leitkultur“ auf und musste sich den Vorwurf rassistischer Hetze gefallen lassen. Für die Änderung des hessischen Polizeigesetzes und die Rasterfahndung wurde er 2002 mit dem Big-Brother-Award ausgezeichnet. 2004 führte Bouffier die präventive Telefonüberwachung sowie erweiterte Videoüberwachung ein und erhielt dafür die Negativauszeichnung ein zweites Mal. 2007 forderten die Grünen den Rücktritt des Innenministers, weil er sich weigerte, eine Stellungnahme zu rechtsradikalen Umtrieben innerhalb der hessischen Polizei abzugeben.
Ganz viele ganz rechts
Auch andere rechte CDU-Politiker wie der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus stehen bereit, um die Lücke zu füllen. In den Medien ist der rechte Flügel der CDU so präsent wie lange nicht mehr. Ihre UnterstützerInnen haben sich bereits organisiert: Ein im Januar veröffentlichtes „Manifest gegen den Linkstrend“ haben inzwischen 5.600 CDU-Mitglieder und SympathisantInnen unterschrieben. Darin sprechen sie sich gegen Gender-Mainstreaming und „Multi-Kulti-Integrationspolitik“ aus. Stattdessen fordern sie, dass „eine überfällige würdige Erinnerung an die deutschen Opfer der Vertreibung“ und die Verteidigung des „christlichen Erbes“ gegen „Islamisierung“ Grundpfeiler der CDU-Politik sein müssten. Ins gleiche Horn bläst der CDU-Nachwuchs: Auf ihrer „Bundesschülerkonferenz“ verabschiedete die Schüler-Union am vergangenen Samstag ein Programm mit dem sprechenden Titel „Starke Werte, starke Wurzeln“. Gefordert werden darin Kreuze in allen Klassenzimmern, Videoüberwachung auf Schulhöfen, Kopfnoten in Zeugnissen und natürlich die Beibehaltung des dreigliedrigen Schulsystems. Kein Einzelfall: Ein „Analyse- und Strategiepapier zur konservativen Erneuerung der CDU/CSU“ der Jungen Union Göppingen vom April wird derzeit bundesweit diskutiert. In ihm sind offen rassistische Positionen zu lesen: Die stark spürbare „Überfremdung“ in Deutschland gefährde die „Sicherheit und letztendlich auch den Wohlstand sowie unsere Werteordnung“. Der CDU-Nachwuchs fordert weiter die „punktuelle Abkehr von der Selbstgeißelung mit den Verbrechen des Dritten Reiches“ – und außerdem mehr „nationale Symbolik“ im öffentlichen Leben. Beklagt wird der „Verlust der deutschen Ostgebiete“ im Zweiten Weltkrieg. Anstatt sich von dem rechten Pamphlet zu distanzieren, verteidigte die Göppinger CDU-Vorsitzende und Landtagsabgeordnete Nicole Razavi es öffentlich.
0 comments