Wer an einer Doktorarbeit schreibt, verdient den Lebensunterhalt häufig als wissenschaftlicher Uni-Mitarbeiter. Vielfach werden Stellen sogar ausdrücklich für DoktorandInnen ausgeschrieben. Das ist in Bochum so, und auch in Hessen. Um so verwunderter schüttelte man nicht nur in Frankfurt, sondern auch bundesweit den Kopf, als die neue Immatrikulationsverordnung des hessischen Wissenschaftsministeriums bekannt wurde. Dort heißt es: „Bewerberinnen und Bewerber, die eine selbstständige wissenschaftliche Arbeit (Dissertation) anfertigen und nicht an der Hochschule beschäftigt sind, können als Doktorandinnen und Doktoranden an der Hochschule immatrikuliert werden.“

Berufsverbot für DoktorandInnen?

Bedeutet das, wer an der Uni arbeitet, darf nicht in einem Promotionsstudium eingeschrieben sein? Das wäre ein Berufsverbot, denn viele Promotionsordnungen sehen die Einschreibung zwingend vor. Die Verantwortlichen an der Frankfurter Goethe-Universität haben beim Ministerium nachgefragt – und nach eigener Aussage in Telefongesprächen von „leitenden Mitarbeitern“ mitgeteilt bekommen, „dass sich eine Immatrikulation und eine gleichzeitige Beschäftigung an der Universität gegenseitig ausschließen“. Daraufhin verschickte die Hochschule Formulare an ihre eingeschriebenen DoktorandInnen: Sie sollten per Unterschrift bestätigen, dass sie weder aktuell an der Uni arbeiten, noch eine Beschäftigung an der Hochschule aufnehmen werden.

Verhängnisvoller Schildbürgerstreich

Auch JournalistInnen gegenüber bestätigte das Ministerium die Rechtsauffassung, welche für viele NachwuchswissenschaftlerInnen das faktische Ende ihrer wissenschaftlichen Karriere bedeutet hätte. Im Rest der Republik wurde schon über die absurde Hochschulpolitik von CDU und FPD in in Hessen gewitzelt: Es sei ein Schildbürgerstreich, ausgerechnet NachwuchswissenschaftlerInnen die Beschäftigung an Unis zu verbieten. In dieser Situation hat die hessische Landesregierung jetzt einen Rückzieher gemacht. Per schmallippiger Presseerklärung verkündete Wissenschaftsministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU): „Wer an einer hessischen Universität promoviert, kann selbstverständlich gleichzeitig auch Mitarbeiter dieser Universität sein.“ Andere „Interpretationen durch Hochschulen“ seien „unzulässig“ – eine Wortwahl, die an der Uni Frankfurt für Unmut sorgt. Dort legt die Hochschulleitung Wert darauf, dass die Deutung vom Ministerium trotz der Bedenken der Uni bestätigt worden sei. „Wir haben das Ministerium bereits im vergangenen Jahr darauf hingewiesen, dass wir diese Formulierungen für problematisch halten“, erklärte der Frankfurter Uni-Präsident Müller-Esterl.

Regierung weiß jetzt Bescheid

Die Ereignisse zeigen aber auch: Das Frankfurter Uni-Präsidium hätte es offensichtlich einfach so hingenommen, wenn es tatsächlich zur Kündigung oder Exmatrikulation von hunderten DoktorandInnen aufgefordert worden wäre – und das sogar, ohne eine gerichtliche Klärung anzustreben. Die Folgen dieses Gehorsams wären nicht nur für die direkt Betroffenen schlimm gewesen. Unzählige Lehrveranstaltungen wären ausgefallen, ganze Forschungsprojekte zum Erliegen gekommen.

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