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Mit dem Untertitel „Denkanstöße und Erfolgsfaktoren für die Praxis“ wartet der 170 Seiten starke Leitfaden auf. Beim Lesen stellt sich allerdings heraus, dass die  Bezeichnung „Studie“ eine starke Beschönigung darstellt. So basiert die Publikation in erster Linie auf Interviews mit eigens ausgesuchten Experten aus Ministerien, Universitäten und eben Hochschulräten. Das Papier kommt zu dem Schluss, dass Hochschulräte zwar „zentraler Baustein für die Modernisierung der Hochschulen“ seien, aber bis zur Perfektion noch einiges an Handlungsbedarf bestünde.

Einer der größten Mängel sei die Zusammensetzung der Hochschulräte. Zu viele Mitglieder würden aus der Wissenschaft stammen. Mehr Honoratioren aus der Wirtschaft seien vonnöten, um „Brücken zur Gesellschaft“ zu schlagen. Dazu wird aus einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zitiert, an der auch Jörg Bogumil, Professor für Öffentliche Verwaltung, Stadt- und Regionalpolitik an der Ruhr-Universität, mitgewirkt hat. Doch während die Autoren der CHE-Studie die Tatsache, dass jedes dritte Hochschulratsmitglied aus der Wirtschaft stamme, als Beweis für Unternehmensferne sehen, liest sich die Studie der Hans-Böckler-Stiftung anders: Es wird der dominierende Anteil von Großunternehmen, die Unterrepräsentation von Gewerkschaftern sowie die Zerfaserung staatlicher Entscheidungsstrukturen festgestellt.
„Es hat uns keineswegs gewundert, dass Unternehmen einen erheblichen Einfluss in den Hochschulräten besitzen“, sagt Karsten Finke, AStA-Referent für Öffentlichkeitsarbeit an der RUB. „Wenn die Studie Brücken zur Gesellschaft ausschließlich in Wirtschaftspersönlichkeiten sieht, zeigt dies doch, dass Unis als Wirtschaftsunternehmen gedacht werden. Aus unserer Sicht ist es völlig überflüssig, eine Studie über die Weiterentwicklung von Hochschulräten zu erstellen, da sie grundsätzlich abzulehnen sind.“

Um die Hochschulräte von Detail­aufgaben zu entlasten, müsste laut CHE zudem eine klarere Aufgabenteilung zwischen den Hochschulleitungen und Senaten verabredet werden. Des Weiteren fordert das „Handbuch Hochschulräte“ die Politik auf, die Ländergesetze zu überarbeiten. So sollen Rechenschaftspflicht und Abwahlmöglichkeit für Hochschulräte eingeführt werden.
Seit den Neunzigern wurden in allen Bundesländern mit Ausnahme Bremens Hochschulräte als Aufsichts- und Beratungsgremien der Universitäten und Fachhochschulen geschaffen. Die neuen Gremien erhielten weitreichende Kompetenzen, die zuvor bei den Landesministerien und den Senaten unter demokratischer Kontrolle lagen. KritikerInnen sehen in dem Steuerungsinstrument eine wirtschaftsfreundliche Umgestaltung von Hochschulen, die mit der Aufhebung der akademischen Selbstverwaltung einherging.

Das Centrum für Hochschulentwicklung, ein Ableger der Bertelsmann-Stiftung, hatte massiv für die Einführung von Hochschulräten geworben. Die größte deutsche Lobbyorganisation im Bildungssektor zielt darauf ab, das deutsche Hochschulwesen „zu liberalisieren und modernisieren“. Ihre zentralen Empfehlungen kennzeichnen die Bildungspolitik der letzten Jahrzehnte: Bologna-Reform, Studiengebühren und Eliteuniversitäten.

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