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Ländervergleich des Stifterverbands: Die Rote Laterne geht auch nach NRW, aber ganz Deutschland ist kein Bologna-Musterschüler. Abbildung: stifterverband_on.jpgMit dem Ziel, den führenden Hochschulraum des Planeten zu schaffen, vereinbarten die Wissenschaftsminister_innen des Bologna-Raums zur Jahrtausendwende, die Studienabschlüsse zu vereinheitlichen, den Praxisbezug des Studiums zu verbessern und die internationale Mobilität und Attraktivität des Hochschulraums Europa zu steigern. Innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren wollte man die größte Hochschulreform verwirklicht haben. Doch bereits zu Beginn geriet der Bologna-Motor ins Stottern. Nach zehn Jahren ist die Umsetzung im föderalen System der Bundesrepublik unterschiedlich gut gelungen. Der Stifterverband hat anhand von drei Prüfbereichen versucht, die Entwicklung in den Ländern zu bewerten. Dabei ist festzustellen, dass keines der 16 Bundesländer die Ziele von Bologna bereits vollständig verwirklicht hat. Auch die Spitzenreiter haben den Weg nach Bologna noch nicht bewältigt. Zu den Spitzenreitern zählen die Stadtstaaten Berlin und Bremen sowie das Flächenland Brandenburg. Die Schlusslichter bilden Hessen, Nordrhein-Westfalen und Thüringen. In der Tendenz steht der Norden etwas besser da als der Süden.

 

RUB im Ruhmesglanz

 

Während an der Bochumer Alma Mater mittlerweile fast alle Fächer nur noch als Bachelor- und Masterstudiengänge begonnen werden können, hinkt NRW insgesamt noch stark hinterher. Zwar sind mittlerweile 80 Prozent der Studiengänge umgestellt, dennoch studiert erst eine Minderheit in den neuen Studiengängen. Lediglich in Bremen und Brandenburg wurde die 50 Prozent-Marke bereits überschritten. Besonders weit ausgeprägt ist die Spreizung in der Lehrerausbildung: Sechs Länder haben die Umstellung auf Bachelor und Master bereits vollständig abgeschlossen, fünf Länder haben noch keine Studiengänge umgestellt oder beginnen erst langsam damit.

 

Employability und Praxisbezug des Studiums

 

Diplom und Master waren wenig praxisnah konzipiert und hier wollten und sollten Bachelorabschlüsse die Lösung bringen. Eine Erfolgskontrolle bereitete den Forscher_innen Probleme, zum einen, weil viele der untersuchten Studiengänge noch nicht vollständig durchlaufen waren und zum anderen, weil Erfolge einfach fehlen. Zwar sollen die neuen Studiengänge die Verzahnung von theoretischen und praktischen Studienphasen ermöglichen. In der Realität verhindert die starke Rasterung der Studienpläne aber die Aufnahme einer praktischen Tätigkeit. Während gerade Bremen und Berlin noch einigermaßen passabel abschnitten, ist besonders das bevölkerungsreichste Bundesland weit abgeschlagen auf den hinteren Plätzen. Lediglich an der Saar ist Theorie und Praxis nach Meinung der Untersuchenden schlechter verzahnt und so wundert es wenig, dass die Forderung nach „lebenslangem Lernen“ und einer zeitlichen Trennung von Bachelor und Master gerade in diesen Ländern wenig fortgeschritten sind.

 

Internationale Mobilität

 

Der Hochschulraum Europa soll ein attraktiver Ort für außereuropäische Studierende und Wissenschaftler_innen sein, und die Studierenden sollen internationale Erfahrungen sammeln. Zumindest für NRW wurde dieses Ziel bislang klar verfehlt. Zwar sind im Bundesgebiet im Erhebungszeitraum mehr Studierende ins Ausland gegangen – diese kamen jedoch im Wesentlichen aus anderen Ländern: Die Studierenden aus Bremen, Brandenburg und Baden-Württemberg gingen doppelt so oft ins Ausland als ihre Kommilitonen_innen aus NRW. Ähnlich schlecht steht NRW in der Gunst ausländischer Studierender. Der Anteil der ausländischen Studierenden in Berlin ist viermal so hoch wie beim Schlusslicht NRW und auch der Abstand zum besten – ohne Hauptstadtvorteil – ist immer noch über 100 Prozent.

 

Ist denn alles wirklich so schrecklich?

 

Obwohl der Stifterverband auch positive Ansätze in der Umsetzung der Bologna-Reformen sieht, ist das Bild im Ganzen doch unbefriedigend. Hinzu kommen noch die Mängel der Erhebung, welche die wahre Lage an den deutschen Universitäten verschleiert. So bewertet die Studie lediglich die quantitative, jedoch kaum die qualitative Umsetzung des Prozesses und verkennt die gerade im letzten Sommer im Zuge des Bildungsstreiks auch von Hochschullehrer_innen und Politiker_innen eingeräumten Fehler bei der Umsetzung. Sowohl die Frage nach der Überbelastung der Studierenden und der sinkenden methodischen Kompetenzen der Studierenden werden in der Studie überhaupt nicht berücksichtigt. Auch die Frage nach der Bedeutung und dem Sinn einer steigenden „Employability“ wird weder gestellt, noch beantwortet. So ist die Feststellung, dass Universitäten Career-Services anbieten, erst einmal wertlos, wenn man nicht zugleich auch die Frage stellt, ob diese auch einen qualitativen Output haben. Die Studie des Stifterverbands gibt den Hochschulen Hausarbeiten auf; dabei sollten sie aber nicht vergessen, dass die Überprüfung ihres Entwicklungsstands selbst sehr lückenhaft ist.

 

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