Anlass für die Ankündigung der Ministerin war der BAföG-Bericht. In diesem Bericht halten unabhängige Experten fest, welche Anpassungen beim Bafög erforderlich sind, um die Bedarfssätze und Freibeträge an die Entwicklungen der Löhne und Lebenshaltungskosten auszugleichen. Die Experten empfahlen eine deutliche Erhöhung der Sätze und der Freibeträge – wie bereits bei der letzten Reform. Die damalige Bundesregierung aus CDU und SPD beschloss daraufhin zum Wintersemester 2008/2009 eine Anhebung von acht beziehungsweise zehn Prozent und blieb damit noch unter den vom Deutschen Studentenwerk berechneten Sätzen, die laut der Studie zur Deckung des Lebensunterhalts nötig gewesen wären. Dieses Mal sollen die Freibeträge lediglich um drei und die Förderungssätze sogar nur um zwei Prozent steigen. Viel zu wenig, meint Andreas Keller von der GEW, die eine Erhöhung um zehn Prozent gefordert hatte. Alleine zum Ausgleich der gestiegenen Lebenshaltungskosten sei eine Erhöhung um jeweils fünf Prozent erforderlich.
Ohne Stipendien ginge mehr
Anders sieht das Bildungsministerin Annette Schavan: Mit der erneuten Erhöhung der Sätze beweise die schwarz-gelbe Bundesregierung, dass ein nationales Stipendiensystem nicht zu Lasten des BAföG gehe, behauptet die CDU-Politikerin. Seit der letzten Anhebung der Sätze sei ein Anstieg der BAföG-Empfänger_innen verzeichnet worden. Insgesamt 333.000 Studierende konnten durch das BAföG gefördert werden, gleichzeitig stieg die durchschnittliche Förderung von 375 auf 398 Euro.
In der Studienfinanzierung setzt Schavan auf einen Dreiklang aus BAföG, Stipendien und Bildungsdarlehen. Damit rief sie zugleich ihre Kritiker auf den Plan: Kai Gehring, hochschulpolitischer Sprecher der Grünen Bundestagsfraktion, merkt an, dass man das BaföG sofort ohne Mehrkosten um zehn Prozent erhöhen könnte, wenn die Bundesregierung die Einführung des nationalen Stipendiensystems aussetzen würde.
Anpassungen bei Bachelor und Master
Neben den Erhöhungen der Sätze will das Wissenschaftsministerium die Förderung an die neuen Studienabschlüsse anpassen. Bislang war spätestens mit dem 30. Geburtstag Schluss mit BAföG. Jetzt soll diese Altersgrenze für ein Masterstudium auf 35 Jahre angehoben werden. Damit sollen Bachelor-Absolvent_innen die Möglichkeit bekommen, erst auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, bevor sie in einem Masterstudiengang weiterstudieren. Vereinfacht werden soll auch der Leistungsnachweis nach dem vierten Semester. Bislang ist der Nachweis nicht einheitlich geregelt. Jeder Fachbereich kann selbst festlegen, welche Scheine erforderlich sind. Künftig soll der Nachweis mit dem ECTS-System gekoppelt werden. Damit würde eine bestimmte Anzahl von Credit-Punkten ausreichen.
Orientierung inklusive
Eine wirkliche Verbesserung verspricht Schavan in ihrer Reformagenda: Das BAföG soll auch nach einem Fachrichtungswechsel zur Hälfte ein Zuschuss und zur Hälfte ein Darlehen bleiben. Bislang wurde für die nicht angerechneten Semester lediglich ein Bankdarlehen gewährt. Damit mussten sich Studierende eine Umorientierung mit einer stark erhöhten Verschuldung am Ende des Studiums erkaufen.
Quintessenz
Im Ergebnis ist die Reform mehr eine Beruhigungspille als ein echter bildungspolitischer Impuls. Zwei Drittel der Studierenden sind auf eine Erwerbstätigkeit angewiesen. Finanzielle Probleme sind der zweitwichtigste Grund für den Abbruch eines Studiums. Stipendien erreichen trotz erheblicher öffentlicher Aufwendungen immer noch nur einen sehr geringen Teil, weil die Wirtschaft ihren Versprechungen nicht nachkommt. Außerdem besteht bei Stipendien die Gefahr, dass bildungspolitische Eliten sich lediglich selbst versorgen und reproduzieren. Denn da Stipendien derzeit zumeist an besonders gute Leistungen geknüpft sind, profitieren von ihnen diejenigen in besonderem Maße, die auch vorher schon die besseren Voraussetzungen hatten.
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