Unter dem Motto „En Garde! WKR-Ball anfechten!“ mobilisierte ein Bündnis antifaschistischer Gruppen für den Freitagabend zu einer Demonstration. Erst zwei Tage vor dem Ereignis hat die Polizei diese überraschend mit dem Verweis auf eine nicht näher beschriebene Gefährdung der öffentlichen Sicherheit verboten. Eine von fünf Nationalratsabgeordneten der österreichischen Grünen angemeldete Ersatzveranstaltung wurde zwei Stunden vor Beginn ebenfalls verboten. Trotzdem versammelten sich am Kundgebungsort rund 1.000 Menschen, um gegen das deutschnationale Tanzevent zu protestieren. Nachdem die Demonstration versuchte, sich in Bewegung zu setzen, fuhr die Polizei Wasserwerfer auf, kesselte die Menschen ein und hielt sie bei winterlicher Kälte mehrere Stunden auf dem Kundgebungsplatz fest. Das Einsatzkonzept der Beamten bestand dabei offenbar aus einer Mischung aus offensiver Unkoordiniertheit und Willkür: Neben den DemonstrantInnen hat die Polizei auch die in der belebten Wiener Innenstadt zahlreich vorhandenen PassantInnen sowie die BesucherInnen der anliegenden Restaurants festgehalten und angezeigt. Sie stürmte auch immer wieder mit Greiftrupps in die Menschenmenge. Nach Angaben der Österreichischen HochschülerInnenschaft der Uni Wien, der dortigen Studierendenvertretung, mussten in Folge dessen mehr als 20 Personen mit Verletzungen im Krankenhaus behandelt werden.
In der Mitte des Gesellschaft
Grund für das überaus harte Vorgehen der Polizei könnten Verflechtungen zwischen rechten Burschenschaftlern und hochrangigen Politikern sein. Einer der prominenteren Besucher des Balls war nämlich der Vizepräsident des österreichischen Nationalrats, Martin Graf von der rechtspopulistischen FPÖ. Diesem lag der Ball sogar so sehr am Herzen, dass er die Sitzung des Parlaments vorzeitig verließ. KritikerInnen mutmaßen, dass die Ausmaße des Polizeieinsatzes auf eine Intervention des von der konservativen ÖVP geführten Innenministeriums zurückzuführen sind, die sich damit möglicherweise das Wohlwollen ihres potentiellen Rechtsaußen-Koalitionspartners sichern will.
Geographisch ist der WKR-Ball ohnehin schon fast im Staat angekommen: Er findet in bester Lage in der Wiener Hofburg statt – und damit quasi im Haus des österreichischen Bundespräsidenten, der seinen Amtssitz ebenfalls in dem Prunkbau aus der Zeit der K.u.K.-Monarchie hat.
Konsequent rechtsaußen
Eine inhaltliche Mäßigung ist mit der – zumindest räumlichen – Ankunft im Establishment für die Wiener Burschen freilich nicht verbunden. Ein guter Teil der Burschenschaften im WKR gehören der „Burschenschaftlichen Gemeinschaft“ (BG) an, die selbst in der Verbindungsstudenten-Szene umstritten ist und in der viele Gruppen vertreten sind, die extrem rechte bis offen neonazistische Positionen vertreten. Den Vorsitz der BG hat derzeit die Wiener Burschenschaft „Olympia“ inne, der auch FPÖ-Mann Graf als sogenannter „alter Herr“ angehört. Die „Olympia“ hat in der Vergangenheit immer wieder extrem rechte Referenten zu Veranstaltungen eingeladen und tut dies immer noch: Ihre nächste Veranstaltung trägt den eindeutigen Titel „Rasse, Evolution und Verhalten“. Neben rassistischen und antisemitischen Verlautbarungen ist eines der Kernelemente des burschenschaftlichen Weltbilds jedoch ein völkischer Nationalismus. Dieser war auch Anlass für die Gründung der BG. Nachdem 1961 ein Antrag auf dem Convent des Dachverbandes „Deutsche Burschenschaft“ scheiterte, der der Aufnahme österreichischer Verbindungen den Weg ebnen sollte, spaltete sich die BG von diesem ab. Zehn Jahre später kehrte sie dann zurück: Mit zahlreichen österreichischen Verbindungen im Gepäck und einer straffen Organisationsstruktur, durch die sie den Verband in den folgenden Jahrzehnten dominieren sollte. Der „volkstumsbezogene Vaterlandsbegriff“, zu dem sich die BG in ihrem Gründungsprotokoll „bekennt“ – und bei dem zum Vaterland nicht nur Deutschland und Österreich, sondern auch Teile des heutigen Polens gehören – ist dabei keine Facette einer altbackenen studentischen Folklore, sondern für viele Burschenschaften ein ernstes Ziel, das aktiv verfolgt wird. Und das eben auch mit dem Tanzbein im Hinterzimmer der Präsidentenpalastes. Bleibt zu hoffen, dass die Band im nächsten Jahr den Rausschmiss-Song gleich zum Anfang der Party spielt.
* Twitter-Mitteilung der „Rosa Antifa Wien“ unmittelbar nach den Geschehnissen.
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