„Die Nachfrage nach psychologischer Beratung hat auch bei uns deutlich zugenommen“, stellt Konstanze Burger fest. Sie arbeitet als Psychotherapeutin in der zentralen Studienberatungsstelle der Ruhr-Uni. Burger sieht einen deutlichen Zusammenhang zwischen diesem Anstieg und der Einführung der gestuften Bachelor- und Master-Studiengänge und der Gebühren. „Die veränderten Strukturen erzeugen einen Kreislauf aus finanziellem Druck und Leistungsdruck, der sich bei Vielen negativ auf die psychische Verfassung ausübt“, erzählt sie im Gespräch mit der bsz. Versagensängste bei Prüfungen und schriftlichen Arbeiten, Erschöpfung, Schlaflosigkeit oder Motivationsverlust gehören zu den häufigsten Beschwerden, mit denen die Studierenden an die StudienberaterInnen herantreten. „Klar ist doch: Unter den herrschenden Bedingungen wird das Studium in Regelstudienzeit praktisch zum Muss“, so die Psychotherapeutin. Diese Situation sorgt zunehmend für Probleme.

Lange Wartezeiten

Die Beratungstelle bietet ein breites Spektrum an Hilfsleistungen an. „Am meisten wird die Einzelberatung nachgefragt“, stellt Burger fest. Die MitarbeiterInnen, die im zweiten Stock des Studierendenhauses ihre Hilfe anbieten, haben verschiedene Therapieansätze und Spezialgebiete. „Gerade in Reaktion auf das Druck-Problem haben wir vor etwa zwei Jahren eine Prüfungs-Coachinggruppe ins Leben gerufen. Seit einem Semester gibt es außerdem eine zusätzliche Prüfungsvorbereitungsgruppe“, erzählt Burger.
Während im Innovationsministerium und in der Universitätsleitung gerne von der „Sozialverträglichkeit der Gebühren in NRW“ und den verbesserten Studienbedingungen geschwärmt wird, muss man in der Beratungsstelle der RUB feststellen, dass dem erhöhten Bedarf der Studierenden nach psychologischer Hilfe kaum Rechnung getragen wird. Bis jetzt hat der Anstieg vor allem verlängerte Wartezeiten zufolge. Etwa sechs bis acht Wochen müssen hilfsbedürftige Studierende auf ein Beratungsgespräch warten. „Die zusätzlichen Mittel, die wir seit der Einführung der Gebühren zur Verfügung haben, werden den gewachsenen Anforderungen keinesfalls gerecht“, urteilt Konstanze Burger. „Ich würde mir wünschen, dass auf die gestiegene Notwendigkeit der psychologischen Beratung wenigstens finanziell angemessen reagiert wird.“
Dass die RUB mit dem Problem nicht allein ist, hat Burger in Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen von anderen Unis festgestellt. Wilfried Schuhmann vom Studentenwerk der Uni Oldenburg schätzt den Anteil der Studierenden, die unter druckbedingten Beschwerden leiden, auf 20 bis 25 Prozent. Nur etwa sechs Prozent der Betroffenen wagen indes den Schritt, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen. In einer Bachelorbefragung an der FU Berlin aus dem Sommersemester 2008 gaben sogar 74 Prozent der Studierenden an, unter dem Leistungsdruck an der Uni zu leiden.

Mehr Information als Prophylaxe

Unter den neuen Bedingungen konzentriert man sich an der RUB verstärkt auf eine ausgeweitete allgemeine Studienberatung. „Wir verlagern die inhaltliche Arbeit zunehmend in das allgemeine Beratungsangebot, als Prophylaxe gegen spätere Probleme“, so Burger. Unter den aktuellen Bedingungen ist kaum zu erwarten, dass sich der Trend hin zu mehr psychischer Belastung der Studierenden umkehrt. „Das kostenfreie Studium war wohl leider ein Privileg unserer Generation“, befürchtet die Psychotherapeutin.

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