AStA-Bericht: Verwendung von Studiengebühren an der Ruhr-Uni Fortsetzung von Seite 1 Fakt ist, dass an unserer Uni seit der Einführung der Studiengebühren zusätzliche Beträge in Millionenhöhe zur Verfügung stehen. Die funktionsgerechte Ausgabe und Verwendung dieser zusätzlichen Mittel erfordert ein gut strukturiertes und funktionsfähiges Konzept. Dies lässt sich derzeit leider weder auf zentraler, noch auf Fakultätsebene erkennen. So laufen ein Drittel der Einnahmen aus den ca. 18 Millionen Gesamteinnahmen aus den Studiengebühren an die zentrale Verwaltungsstelle des Rektorates, zwei Drittel gehen an die Fakultäten selbst. Die zentrale Verwaltungsstelle sieht sich in der Aufgabe für eine bessere strukturelle Umgebung für die Studierende auf dem Campus und in den Hörsälen zu sorgen. Die Fakultäten hingegen sollten eher für die Optimierung der Lehre verantwortlich sein. Verwendung der Studiengebühren auf zentraler Ebene So sollen z.B. allein zwei der sechs Millionen Euro, die der zentralen Vergabestelle zur Verfügung stehen, derzeit für Neubestuhlungen der Seminarräume ausgegeben werden. Natürlich sind die Bestuhlungen teilweise 30 Jahre oder älter, und vor allem im Bereich der Seminarräume GC herrschen teilweise untragbare Zustände. Ob es jedoch Sinn macht, Mittel in dieser Größenordnung für ein neues Lernumfeld auszugeben, wenn die Lerninhalte, die Didaktik und das Lehrangebot nicht gleichzeitig verbessert werden, mag man bezweifeln. Vor allem aber gehört die Ausstattung der Hörsäle und Seminarräume zur Grundausstattung einer Universität und muss daher aus staatlichen Mitteln und nicht aus Studiengebühren finanziert werden. Die Universitätsbibliothek SOLL ihre Öffnungszeiten erweitern. Jedoch zunächst bis 22 Uhr, nicht wie versprochen bis 24 Uhr. Hier wurden aus Studiengebühren insgesamt nur zwei weitere Hilfskräfte eingestellt. Als weiteren großen Schritt kündigte man eine Überarbeitung bzw. Verbesserung des VSPL-Campussystems an. Diese ist auch dringend nötig, nur stellt sich hier die Frage, ob dafür Gelder aus den Studiengebühren verwendet werden sollten oder ob dies nicht auch eine Grundaufgabe der Hochschule und damit des Landes NRW ist (Verwaltung der Studierendendaten). Insgesamt sind 650.000 Euro allein für diese Aufgabe vorgesehen. Weitere Mittel sollen für die technische Ausstattung vor allem in den Natur- und Ingenieurwissenschaften ausgegeben werden. Ob und wie dabei die Geisteswissenschaften berücksichtigt werden, deren G-Gebäude von der Uni-Verwaltung teilweise sehr stiefmütterlich behandelt werden, wird man sehen. Strukturen der Vergabepraxis an den Fakultäten Bei der Vergabe der Studiengebühren an den jeweiligen Fakultäten treten erheblich größere Schwierigkeiten zu tage. Es hat den Anschein, dass manche Fakultäten mit der sachgemäßen Vergabe der Studiengebühren schlichtweg überfordert sind. So sind keine einheitlichen Strukturen vorhanden, und jede Fakultät setzt ihre eigenen Gremien ein, die mehr oder weniger professionell über die Vergabe von Millionenbeiträgen entscheiden. Teilweise sind es nur ein paar Personen die über die Verteilung von Beträgen in sechsstelliger Höhe entscheiden, ohne dass sie für die spätere Verwendung auch verantwortlich sind. Eine Überprüfung der Effizienz dieser Mittel, ein „Controlling“ wie es in Firmen und auch in der öffentlichen Verwaltung inzwischen längst Standard ist, ist hier nicht vorgesehen. Man hat das Gefühl, dass hier Gelder ausgegeben werden, die man plötzlich und unerwartet im Lotto gewonnen hat. Für eine wirkliche Prüfung, ob und wie man damit mittelfristig und nachhaltig die Lehre verbessern kann, fehlt meist die notwendige Kompetenz und immer die Zeit. Es existiert zwar ein gesetzlich vorgeschriebener Beschwerdeausschuss, bei dem sich Studierende melden und die Fehlverwendung anzeigen können. Jedoch liegen diesem bislang nahezu keine Meldungen vor. Dieser Ausschuss muss mehr der Öffentlichkeit publik gemacht werden, sodass die Studierenden auch ihr Recht wahrnehmen um Mängel bei der Vergabe aufzuzeigen. Gibt es hier und da speziell eingerichtete Gremien oder Ausschüsse, die sich ausschließlich der Vergabefrage der Studiengebühren widmen, so ist der Fakultätsrat das entscheidende Gremium, indem über die Grundsätze der Verwendung der Studienbeiträge entschieden werden muss (s. § 10 Abs. 1 der Satzung über die Erhebung von Studienbeiträgen und Hochschulabgaben der RUB vom 22.9.2006). Im Satz 2 findet sich dann aber folgende Formulierung: „Die Mittel (!) sollen nicht gegen das einstimmige Votum der Studierenden im jeweiligen Fakultätsrat verwendet werden. Anderenfalls kann dieses Votum der Studierenden der Prorektorin / dem Prorektor für Lehre zugeleitet werden. In diesem Fall hat es aufschiebende Wirkung. Der Fakultätsrat entscheidet abschließend“. Konkret bedeutet dies, dass die Studierenden zwar ein vorübergehendes Vetorecht haben, dieses aber durch einen späteren Fakultätsbeschluss mit der Mehrheit der Professoren wieder aufgehoben werden kann. Und darüber, was „Grundsätze“ sind und was nicht, kann man trefflich streiten. Dass sich viele studentische Fakultätsratmitglieder in einer unangenehmen Situation befinden ist klar. Legen sie ihr „Veto“ ein, blockieren sie die Mittel und können so dafür verantwortlich gemacht werden, dass notwendige (und mögliche) Verbesserungen nicht stattfinden. Stimmen sie einmalig festgelegten Grundsätzen zu, haben sie möglicherweise in Zukunft kein Mitspracherecht mehr, wenn über die konkrete Verwendung nicht im Fakultätsrat sondern in Ausschüssen entschieden wird. Das Problem der „Nicht-Verwendung“ der Studiengebühren Ein weitaus größeres und nicht hinnehmbares Problem an unserer Uni ist hingegen die Nicht-Verwendung der Studiengebühren. Insgesamt lässt sich uniweit feststellen, dass die meisten Fakultäten zumindest im Moment auf einem Teil der Gelder sitzen bleiben, die Mittel sich ansammeln und möglicherweise rechtswidrig verzinst werden (Anm. des Kanzlers auf der Podiumsdiskussion zur Verwendung der Studiengebühren). Wenn aber an den meisten Fakultäten nicht einmal 50% der Studiengebühren ausgegeben werden können, weil das die Rahmenbedingungen nicht zulassen und dennoch pauschal jedem Studierenden 500 Euro pro Semester aus der Tasche gezogen werden, dann ist dies skandalös. Hier hätte man vorher eine Bestandsaufnahme durchführen, den tatsächlichen Bedarf erheben und vor allem Gremien zur Evaluierung und zum Controlling einsetzen müssen. So wurde blauäugig der Höchstsatz von 500 Euro eingefordert – getreu dem Motto: Wir werden schon Möglichkeiten finden, das Geld auszugeben. Dabei ist es jeder Uni freigestellt zu entscheiden wie viel Studiengebühren pro Semester erhoben werden. Es wird zeit, dass diese Diskussion bei uns begonnen wird. Hinzu kommt, dass die Mittel zunehmend für Personalstellen verwendet werden, wobei hier unterschiedliche Strategien praktiziert werden. Während einige Fakultäten auf die (billigeren) wissenschaftlichen Hilfskräfte setzen, wollen andere die Mittel für „richtige“ Mitarbeiterstellen verwenden, bei denen auch eine Sozialversicherung möglich ist. Während dies prinzipiell im Sinne einer Sicherung der Rechte von ArbeitnehmerInnen zu begrüßen ist, muss hier unbedingt darauf geachtet werden, dass durch solche Stellen nicht Lücken geschlossen werden, die durch die massiven Kürzungen der letzten Jahre entstanden sind. Ansonsten wird das Tor zum mittelfristigen Ersatz staatlicher Hochschulmittel durch Studienbeiträge aufgestoßen. Die Studierenden müssen also sehr genau kontrollieren, welche Aufgaben diese Stelleninhaber wahrnehmen (sollen) und ob dies tatsächlich zu einer Verbesserung der Lehre führt. Insgesamt fallen Millionenbeträge an, die nicht durch Buch- oder Kopiergutscheine, kostenlose Skripte oder „Exkursionen für alle“ ausgegeben werden können und sollten. Mit solchen Maßnahmen wird die Lehre nicht verbessert, sondern die Studierenden werden ruhig gestellt. Da manche Fakultäten ihren Etat durch die Studienbeiträge praktisch verdoppelt haben, steuert die RUB auf eminente Erklärungsnöte zu, wenn dies so weitergeht. Man muss sich fragen inwieweit wirklich den Studierenden geholfen werden kann, ihr oftmals durch Verschuldung, durch den „NRW-Kredit“ oder durch Mehrarbeit gekennzeichnetes und nun noch schwieriger gewordenes Studium zu verbessern, so dass sie es vielleicht in kürzerer Zeit und mit möglichst besserem Erfolg absolvieren können. Das Rektorat hat sich auf einer Podiumsdiskussion klar zur gesetzlich vorgeschriebenen Verwendung der Studiengebühren positioniert. So steht in der Satzung der Ruhr-Universität, dass die Studiengebühren nicht in bauliche Maßnahmen fließen dürfen. Hier strebt das Rektorat jedoch eine Satzungsänderung an, damit Studiengebühren auch in bauliche „Verschönerungs“maßnahmen fließen können. Aufgrund der an allen Stellen offensichtlichen Gebührenhortung sehen wir in solchen Maßnahmen keine Lösung. Wir verlangen Ehrlichkeit gegenüber den Studierenden und fordern eine Rücknahme, eine erhebliche Reduzierung oder zumindest eine Aussetzung der Studiengebühren, solange, bis tragfähige Konzepte für die Verwendung der Gelder entwickelt sind. Als allgemeine Vertretung aller Studierenden sehen wir nicht die Notwendigkeit, Studiengebühren im nächsten Semester zu erheben. Wir werden weiterhin im Senat und in Gesprächen mit verschiedenen Gremien eine Aussetzung oder zumindest eine deutliche Beitragssenkung einfordern. Dies wäre nur den Studierenden gegenüber sozial gerecht. Berichte zur Verwendung der Studiengebühren auf Fakultätsebene Geografisches Institut: Wie exemplarisch für viele andere Institute an unserer Universität wurde auch am Geografischen Institut ein Großteil der Einnahmen aus den Studiengebühren nicht ausgegeben. Einnahmen von 194.725,00 Euro standen Ausgaben von nur 64.277,79 Euro gegenüber (Zahlen SS ´07). Dies bedeutet einen nicht ausgegebenen Restüberschuss von 130.447,21 Euro! Hieran sieht man den Unsinn des Höchstbetrages von 500 Euro pro Semester. Im SS ´07 reichten hier ein Drittel der Studiengebühren aus um die „Verbesserung der Lehre“ voranzutreiben. Unter „Verbesserung der Lehre“ wurde am Geografischen Institut u.a. verstanden, von nun an den Studierenden die anfallenden Vorlesungsskripte gratis auszuteilen (Topf „Vervielfältigungen“: 662,85 Euro). Auch die Ausdrucke über die erbrachten Studienleistungen (HisPos) gibt es nun zum Nulltarif. Dass dennoch keine Möglichkeit ausgelassen wurde Geld auszugeben zeigt die Praxis der „Exkursionszuschüsse“, die seit Einführung der Studiengebühren betrieben wird. Hierbei wird jedem Studierenden pauschal 100 Euro für die obligatorische „Große Exkursion“ erlassen (Topf „Exkursionszuschüsse“: 6.600 Euro). Lest weiter auf Seite 5 Fortsetzung von Seite 4 Dass dies hilflose Maßnahmen sind um den Studierenden wenigstens indirekt die Studiengebühren wieder zurückfließen zu lassen lässt sich deutlich erkennen. Es wird sogar darüber nachgedacht, diesen Exkursionsbeitrag auf 200 bis 300 Euro zu erhöhen, wenn auch in den nächsten Semestern keine besseren Alternativen zur Wahl stehen werden. Neben Neuanschaffungen in der Institutsbibliothek (Topf „Literatur“: 10.167,28 Euro), welche sicher dringend notwendig sind, jedoch nach erledigter Auffrischung des Archivs nicht mehr in dieser Höhe anfallen werden, werden noch mit 16.925,37 Euro die, zur Verbesserung der Lehre, relativ sinnvollen Tutorien unterstützt (Einstellung insg. 6 neuer TutorInnen). Weitergehend werden mit 3.969,85 Euro neue Labor- und Feldgeräte angeschafft. Den größten Posten machen am Geografischen Institut Neuanschaffungen bzw. Aktualisierungen von Soft- und Hardware aus (25.952,44 Euro). Insgesamt kann man diese Vergabepraxis am Geografischen Institut als exemplarisch auch für andere Fakultäten an unserer Ruhr-Universität betrachten. Gespannt sein darf man auf die Vorschläge zur Verwendung der Studiengebühren für die kommenden Semester sein (angedacht ist evtl. die Einstellung 4 neuer Lehrkräfte als halbe Stellen mit „besonderen Aufgaben“). Auch hier gibt es exemplarisch für die gesamte Ruhr-Universität nur 2 Möglichkeiten: entweder man gibt die Studiengebühren für Verwendungen aus, die nicht wirklich der Verbesserung der Lehre dienen um nicht auf den sich anhäufenden Millionenbeträgen sitzen zu bleiben oder man setzt sich auch am Geografischen Institut für eine Senkung der Gebühren ein. Fakultät für Chemie und Biochemie: Unter dem Stempel „Von uns, für uns – finanziert mit Studienbeiträgen“ geht die hier eingesetzte Arbeitsgruppe (bestehend aus 3 Studierenden und 2 Professoren) offensiv an die Umsetzung zur Vergabe der Studiengebühren. An der Fakultät für Chemie und Biochemie werden beispielsweise jedem Erstsemester ein Arbeitskittel und ein Buch im Wert von 100 Euro als „Begrüßungsgeschenk“ in die Hand gedrückt. „Erstis“ erhalten ein Buch im Wert von 60 Euro, „Zweitis“ schon eines für ca. 140 Euro. Auch im dritten und vierten Semester werden weiterhin jedem Studierenden Bücher geschenkt. Hierfür gibt die Fakultät pro Semester 20.000 Euro aus. Auch die bislang kostenpflichtigen obligatorischen Praktika (zu je 30 Euro) sind nun kostenfrei. Auch die Ausstattung der für diese Praktika benötigten Labore wird mit ca. 100.000 Euro forciert, dem größten Vergabetopf. Auch an dieser Fakultät werden, aber in relativ geringer Zahl, Tutorien finanziert und natürlich wird auch hier der Fachbestand der Institutsbibliothek aufgestockt. Insgesamt hat die Fakultät im Sommersemester ca. 175.000 Euro aus Studiengebühren erhalten. Juristische Fakultät: Hier wurde beispielsweise aus den mächtigen Studiengebühreneinnahmen (wovon auch hier weit über 50% nicht ausgegeben werden können!) das Mentorengeld wieder eingeführt. Bislang erhielten die Jura-Mentoren („mentoring-AG“) in der Vergangenheit immer ein Entgelt für ihre Dienste, leider nur im letzten Semester vor Einführung der Studiengebühren nicht. Jetzt die Wiedereinführung des Mentorengeldes durch Studiengebühren zu finanzieren spielt den Plänen der Landesregierung in die Hände – nämlich der mittelfristige Einsatz von Studiengebühren für vormals vom Land bezahlte Maßnahmen bzw. Tätigkeiten. Weiterhin wurden an der juristischen Fakultät beispielsweise neue wissenschaftliche Mitarbeiter im Wert von 56.000 Euro pro Stelle eingestellt. Auch an dieser Fakultät gibt es kein schlüssiges Gesamtkonzept zur Verwendung der Studiengebühren. Fakultät für Bauingenieurswesen: Auch hier gab es bislang Büchergutscheine und kostenlose Skripte durch Einnahmen aus Studiengebühren finanziert. Auch an der Fakultät für Bauingenieurswesen weiß man nicht wohin man die Gesamteinnahmen stecken soll. Bislang haben die Studierenden sich stets gegen unsinnige Vorschläge wie die Einführung eines zweiten oder sogar dritten Beamers pro Hörsaal gewehrt. Till Feltes (Referent für Hochschulpolitik)

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