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Ties Rabe, Hamburgs Bildungssenator und derzeitiger Präsident der Kultusministerkonferenz (KMK), sieht die Reformen im deutschen Schulsystem bestätigt. Der Bildungsbericht wird seit 2006 im Zweijahrestakt von unabhängigen WissenschaftlerInnen herausgegeben. So haben die ForscherInnen dieses Mal in dem 350 Seiten starken Dokument unter anderem zu berichten, dass die Zahl der AbiturientInnen und Studierenden gestiegen sei, was die KMK als Frucht ihrer Arbeit präsentierte. Auch im Bildungsministerium wird der Bericht als Beweis für die „hohe Priorität für Bildung in Deutschland“ gesehen. Dass die festgestellten positiven Entwicklungen den Negativen gegenüber in der Unterzahl sind, wird von den meisten PolitikerInnen wohl übersehen.

 

Mehr AkademikerInnen & FörderschülerInnen

Wenn nun die Zahl der AbiturientInnen steigt, sagt das noch nichts über die Qualität des Abschlusses aus. Zwei Entwicklungen, die dies illustrieren können: Die Zahl der Studierenden ist ebenfalls gestiegen – das ist aber eher Faktoren wie dem Wegfall der Wehrpflicht zuzurechnen. Die Universitäten sind auf dieses Mehr allerdings nicht hinreichend vorbereitet. Der andere Fall: Zwar wurden weniger SchulabbrecherInnen als noch vor zwei Jahren verzeichnet, der Anteil derjenigen, die die Schule ohne ausreichende Lese- und Schreibkenntnisse verlassen, ist hingegen leicht angestiegen. So viel also zur Qualität der Schulabschlüsse (die nach wie vor von Bundesland zu Bundesland variiert).
Zusammen mit den Schulabbrecher­Innen bilden die Leseschwachen einen, so formuliert es Andrä Wolter, einer der Autoren, „stabilen Sockel der Abgehängten“, der zwischen 15 bis 20 Prozent aller Kinder und Jugendlichen ausmacht. Ihnen diagnostizieren die ExpertInnen Chancenlosigkeit. Die Möglichkeiten für diese jungen Menschen, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, tendierten gegen Null. Zu diesen „Abgehängten“ gehören sehr oft auch FörderschülerInnen, deren Anteil an allgemeinen Schulen sich seit 2000 auf 29 Prozent verdoppelt hat, ohne dass sich die Zahl der Einschulungen an speziellen Förderschulen nennenswert verringert hätte. Eine erstaunliche Entwicklung, bedenkt man, dass die UN-Richtlinien zur Integration förderungsbedürftiger SchülerInnen durchgesetzt werden sollen.
Zwei Spezifika durchziehen so gut wie alle Ergebnisse der Bestandsaufnahme: Erstens differieren die Zahlen stets von Bundesland zu Bundesland, zum Teil gravierend. In Bayern zum Beispiel besuchen etwa vier Prozent der Kinder eine Förderschule, in Mecklenburg-Vorpommern sind es elf. Zweitens sind in den „Risikogruppen“, also denjenigen, die – nicht zuletzt wegen sozialer Umstände – geringe Chancen auf Arbeit und Ausbildung haben, überproportional viele Menschen mit Migrationshintergrund zu finden. Der „Bildungsweg in Deutschland“ hinge „noch immer viel zu stark vom sozialen Hintergrund ab“, sagt der Präsident des Deutschen Studentenwerks Dieter Timmermann.

Egal wie, Hauptsache es wird gehandelt

Die KultusministerInnen sehen sich allen Entwicklungen und Diskussionen zum Trotz auf der Siegerposition. KMK-Präsident Rabe: „Wir zeigen, was von uns erwartet wird. Wir handeln.“ Es gibt viele Baustellen, an denen sie gegenwärtig zu arbeiten haben. Und der Blick in die Zukunft wirkt ebenfalls nicht gerade rosig. Bis 2015 fehlen 300.000 Studienplätze, für die KiTa-Garantie ab 2013 fehlen noch 260.000 Plätze. Dabei hatte die Regierung kürzlich noch behauptet, es fehlten halb so viele. Das größte Medienecho erfuhr indes die Debatte um das von CDU und FDP geplante Betreuungsgeld, die der Bildungsbericht neu entfachte. Die Autoren sprechen sich offen gegen die als „Herdprämie“ bekannte Zuwendung aus, die Eltern, die ihre Kinder nicht in eine Betreuungseinrichtung schicken, bekommen sollen. Zum Einen entgehen dem Kind wichtige soziale und Bildungskompetenzen und zum anderen sind Finanzierungsschwierigkeiten in Sicht: Wolle die Regierung KiTa-Garantie und Betreuungsgeld umsetzen, entstehe die Gefahr, beide Konzepte nur unzureichend durchzusetzen. Im Verlauf dieser Debatte wird der CDU-Fraktion von Seiten der Opposition vorgeworfen, nur am Betreuungsgeld festzuhalten, um Koalitionsstreitigkeiten zu vermeiden und Partei- über BürgerInneninteressen zu stellen.

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