Doch leider handelt es sich bei dem besagten Beispiel nicht um den angesagten Mittagstisch im Café Tucholsky, wo weniger Geld mehr Qualität bedeutet, und der kundige Gourmet für einen Aufschlag von 2,50 Euro ein zusätzliches Getränk sowie wahlweise Vor- oder Nachspeise erhält, derweil Otto Sanders oder Armin Rohde am Nebentisch sitzt, sondern um das Aktionsangebot der Mensa. Und schon verpufft der Wohlfühlfaktor. Mensa, das bedeutet zu Stoßzeiten gleich zweimal Schlangestehen – einmal an der Essensausgabe und ein zweites Mal an der Kasse mit dem Tablett in der Hand, auf dem die Mahlzeit langsam an Temperatur verliert. Darf man schreiben, dass das Mensapersonal untermotiviert ist? Nein, das darf man natürlich nicht, aber man darf sich fragen, wie niedrig der Stundenlohn sein muss, dass viele in Gedanken vielleicht bereits bei ihren Zweit- oder Drittjobs sind. Mensa, das bedeutet auch, dass man nicht immer das bekommt, was zuvor angekündigt wurde. Dass die Kartoffeln roh und die Nudeln hart oder zu matschig sind. Dass es oft nicht schmecken will, und man trotz fünf unterschiedlicher Angebote keine Wahl hat. Trotzdem lieben wir unsere Mensa, denn die Mensa ist seit ihrer Gründung ein Versprechen. Kein kulinarisches Verspechen, sondern das Versprechen, dass hier jedes Campus-Mitglied für kleines Geld satt werden kann. Sie wird von den Studierenden über den Sozialbeitrag bezuschusst. Sie sollte nicht ausschließlich wie ein gewinnorientiertes Wirtschaftsunternehmen agieren, sondern primär die Versorgung der Studierenden zum bestmöglichsten Preisleistungsverhältnis garantieren. All das war jahrzehntelang kein Problem. Etliche Alumnis erinnern sich an den berüchtigten Nachschlag. Ja, so sonderbar das heutzutage klingt: Seinerzeit konnte man einfach zur Ausgabe gehen und sich den Teller nochmals voll machen lassen. Mittlerweile muss man für eine große Portion extra zahlen. Damals – also vor dem Umbau – war die Mensa zwar kleiner, dafür fanden die Studierenden überall einen Platz. Heutzutage sind mitunter ganze Bereiche für irgendwelche TagungsteilnehmerInnen gesperrt. Da inszeniert man gerne mal ein Chichi. Warum eigentlich? Ist der ordinäre Tagesbetrieb für die Gäste etwa nicht gut genug? Oder ist es bloß höfliches Entgegenkommen, bei dem das Entstehen einer Zwei-Klassen-Mensa in Kauf genommen wird? Hat sich diese Zwei-Klassen-Mensa in den Köpfen der Verantwortlichen etwa schon durchgesetzt und ist das Anfangs zitierte Aktionsmenü ein Symptom dafür? Wird nicht der Eindruck erweckt, dass mindersituierte Studierende den letzten Schlangenfraß herunterschlingen müssen, während Bessergestellte sich an den kulinarischen Vorzügen eines teuren Aktionsmenüs ergötzen können? Oder ist das Service? – Na klar, das ist Service. Die Sitten haben sich eben verfeinert und die vulgären Nachschlagzeiten sind eh vorbei. Das ist ein gesamtgesellschaftlicher Trend. Und wo, wenn nicht in der Mensa sollte man diesem Trend gerecht werden? Etwa im Café Tucholsky? Nein, dort wird man satt auch ohne das.
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