Die Rechtspopulistin Eva Herman schien fast vergessen. Nun meldet sie sich zurück mit einer atemberaubenden These: Deutschland wurde Opfer eines Angriffes mit Biowaffen. Die Frage nach der Quelle treibt die sonderbarsten Blüten. Welches Glied in der Lebensmittelkette versagte? Die These, dass sich der Ursprung der Kontamination in Spanien befinde, wurde im Laufe der vergangenen Woche mehrmals bekräftigt und mehrfach in Frage gestellt. Währenddessen sterben die PatientInnen. Es trifft gerade jene, die sich gesund ernähren wollten. Mit gutem Gewissen verzichtete man auf die fetttriefende Schweinshaxe und trat stattdessen auf die Cholesterinbremse: ein knackiger Bauernsalat mit reichlich Gurken und Tomaten. Zum Dank erlitt man blutigen Durchfall, Nierenversagen und den Zerfall seiner roten Blutkörperchen. Eine latente Massenpanik hat sich über das Land gelegt. Die Notfallambulanzen der Krankenhäuser ächzen unter dem Ansturm der Verdachtsfälle. Dabei müsste in solchen Fällen bei den meisten Menschen doch eine Art psychohygienischer Routine einsetzen – immerhin ist Shigatoxin nicht der erste Todeskeim, den die durchindustrialisierte Nahrungsproduktion hervorbringt. Beinah jährlich hören wir von neuen Katastrophen: Ekelfleisch, Schweinegrippe, Rinderwahnsinn etc. Die Kriminalitätsrate unter den NahrungsmittelproduzentInnen stieg rasant. Doch diesmal ist alles anders. Profitierten bisher die Bio-Läden von den Lebensmittelskandalen, stehen nunmehr auch jene unter Verdacht, kontaminiertes Gemüse und Obst verkauft zu haben. Für manche ZeitgenossInnen gilt hier der Verdacht umso mehr, da die Gurken im Bio-Laden nicht „gespritzt“ sind. Was vor einigen Wochen noch den Nimbus einer bewussten (und natürlich gesünderen) Ernährung besaß, fällt nun Schimpf und Schande anheim. Wie kann man nur so verantwortungslos sein und Obst und Gemüse nicht einer chemischen Keule unterziehen, bevor man es auf den Markt wirft? Bis vor kurzem hätte man sich mit solch einer Frage öffentlich als IgnorantIn diskreditiert. Nun kippt das. Überhaupt wird etwas von der neuen Skepsis gegenüber Obst und Gemüse übrigbleiben. Laut einer Emnid-Umfrage, die der Spiegel in Auftrag gegeben hatte, gaben 58 Prozent der Befragten an, gegenwärtig auf ungekochte Gurken, Tomaten und Salat zu verzichten. Schon klagen die Bauern über massive Einnahmeausfälle. Eine ganze Branche liegt am Boden. Hoffnung weckt der neue Wirkstoff Eculizumab, ein monoklonaler Antikörper. Doch das Motto: „An apple a day keeps the doctor away“ will den meisten VerbraucherInnen nicht länger einleuchten. Ein gewaltiger Paradigmenwechsel steht an. Der Bio-Boom scheint vorerst ausgebremst. Was wir in diesen Tagen erleben, das ist die Renaissance der Pommesbude.

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