Was das Rohmaterial betrifft, sind ARD und WDR hier also genau richtig. Realitätsnah, vorstellbar, plausibel – das sind die Kriterien, die eine Tatortfolge erfüllen muss. Für die Ruhrgebietsreihe käme noch eine Menge Lokalkolorit hinzu. Aber da ließe sich hier ja aus dem Vollen schöpfen: Cranger-Kirmes, Bermuda-Dreieck, Nordstadt. Drehtermine zwischen Straßenstrich und Schrebergarten. Natürlich steht bei so einer Tatortfolge vor allem der ermittelnde Kommissar im Mittelpunkt. Vergesst Armin Rohde und Dietmar Bär! Das ErmittlerInnenteam im Ruhrgebiet würde sich folgendermaßen zusammensetzen: Der Kommissar wäre einer wie „Kassierer“-Sänger Wolfgang Wendland oder Ruhrbaron Stefan Laurin. Der artikuliert sich mit authentischer Direktheit, kennt die urbane Dunkelziffer und ist auch mal im Nachtleben unterwegs. Er würde seine Fälle ab und zu einfach an der Theke des Intershops bei einem Pils und einer Selbstgedrehten lösen. Kneipenbesitzer wie Lobo und Kibi würden sich gläserpolierend über ihre Tresen lehnen und ihn dabei mit den notwendigen Infos versorgen. Zur Seite stellt man ihm am besten eine resolute Altenpflegerin mit Reibeisenstimme und mächtigem Kraftfahrer-Lachen, die wegen ihrer Arbeit jede Menge Kontakte zur gutbetuchten High Society des Reviers hat. Zudem ist sie (nennen wir sie Elke) natürlich über sämtliche Erbstreitigkeiten und Familienverhältnisse informiert. Die Dialoge des Duos würden vor derbem Charme und schrägem Humor nur so strotzen und wären dabei alles andere als politisch korrekt. Die Eingangsszene der ersten Folge könnte mit einem Telefonat der beiden beginnen. Laurin erhält einen Anruf von Elke und erklärt, er sei gerade unterwegs: „Ich bin joggen. Die Trainingssaison wird jetzt eröffnet. Wenn ich mich später nicht mehr melde, bin ich tot zusammengebrochen.“ Schnitt auf Elke, die gerade vor der Fleischerei Grabowski steht. Sie antwortet: „Wenn es nach mir ginge, solltest du den ganzen Tag joggen. Einen menschgewordenen Pandabär joggen zu sehen, ist sehr, sehr lustig. Welche Band du wohl beim Joggen hörst?“ „The National.“ „Dein Allerweltsgeschmack passt zu dieser Band.“ „Donnerstag. Du hast Ausgang. Geh doch lieber in den Park. Die frische Luft wird dir gut tun.“ Aber auch die Vorlagen für die Verbrecherfiguren bringt das Ruhrgebiet schon mit. Ob nun Duisburgs Oberbürgermeister Sauerland und das Loveparade-Debakel, Medienmanager Dieter Gorny und die Kreativwirtschaft oder der Wälder rodende RUB-Rektor Weiler mit seiner bekloppten Exzellenzinitiative. Damit wären dann fast alle Klischees bedient.
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