Alles, was physikalisch möglich ist, passiert in einer dieser Welten. Als Christoph Daum zum Beispiel zu seinem Einstand als Trainer bei Eintracht Frankfurt postulierte: „Im Fußball spielt der Kopf immer eine wichtige Rolle. Wenn der richtig funktioniert, dann ist er das dritte Bein und kann den Unterschied ausmachen“, dann war das nicht einfach das hirnverbrannte Geschwurbel eines egomanischen Exzentrikers. Es war die physikalisch fundierte Feststellung, dass es in der Tat ein Universum gibt, in dem manche Fußballer ein Bein auf dem Hals haben und damit erfolgreich sind.
Warum ist das so? Einen Beleg für die Existenz unendlich vieler Welten glauben Physiker wie der Brite David Deutsch in ihrer umstrittenen Interpretation des sogenannten Interferenzexperiments gefunden zu haben: Wirft man Licht durch ein winziges Loch auf einen Schirm, entsteht ein Lichtfleck. Zwei Löcher und zwei Lichtstrahlen ergeben zwei Lichtflecken. Rückt man die beiden Löcher nun sehr, sehr eng aneinander, entsteht auf dem Schirm ein komplexes Interferenzmuster – die beiden Strahlen beeinflussen sich gegenseitig, sie interferieren. Kurios wird es allerdings, wenn man Photonen isoliert und dann einzeln durch die doppelte Lochblende schickt. Denn selbst isolierte Photonen ordnen sich auf dem Schirm an einem Ort an, der ihrem Platz in einem Interferenzmuster entspräche. Das heißt für Deutsch: Das Photon interferiert trotz seiner Isolation mit einem unsichtbaren Ding, das sich genauso verhält, wie das Photon selber. Und dieses Ding, da gibt es für Deutsch keinen Zweifel, stammt aus einem Pa­ralleluniversum.
Ausgehend von dieser Interpretation schließen Viele-Welten-Theoretiker auf eine unendliche Vielfalt der Universen. Das Multiversum besteht für sie aus unzähligen Blasen, wie Badewannenschaum. In einer dieser Blasen leben wir. In vielen anderen leben exakte Kopien von uns, die zeitgleich genau diesen Artikel lesen und sich fragen, was das eigentlich soll. Und in einer anderen Welt – meiner Lieblingswelt – sind alle Menschen Wiederkäuer.
Wiederkäuen ist in dieser Welt völlig normal. Mitten in einer Unterhaltung kann es passieren. Da der Vorgang wie der ganze Rest der Verdauung nicht bewusst steuerbar ist, stelle ich mir gerne vor, dass man beim Wiederkäuen einen viehhaften Ausdruck auf dem Gesicht hat. Der Gesprächspartner kennt das aus eigener Erfahrung und wartet geduldig. Es passiert Nachrichtensprechern auf Sendung, Politikerinnen im Wahlkampf, Menschen beim Vorstellungsgespräch oder beim Sex. Die Mitmenschen quittieren das Wiederkäuen höchstens mit einem sprachlich-kulturellen Reflex, „Mahlzeit“, oder so. Weil Menschen kultivierte Wesen sind, trägt man stets ein kleines Tüchlein bei sich – je nach sozialem Status aus Leinen oder aus Seide –, mit dem man sich den Magensaft von den Lippen wischt, wenn man fertig ist. Die Kulturgeschichte dieses Tuchs wird unermüdlich wissenschaftlich erforscht. Ansonsten läuft alles fast genauso wie hier, nur dass Atomkraft sicher ist. Da will ich hin.

 

 

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