Wer geglaubt hatte, durch die fortschreitende Digitalisierung der papierenen Masse würde weniger Papier verbraucht, hat sich getäuscht. Nie wurde so viel gedruckt wie heute. Selbst die nichtigsten E-Mails werden von den zuständigen SachbearbeiterInnen in den Büros ausgeduckt. Warum? Zur Sicherheit. Könnte ja wichtig sein (oder einmal werden). Zudem drucken geschätzte 90 Prozent der Studierenden die ins Blackboard gestellte Literatur aus. Einziger Unterschied: Sie drucken nunmehr auf eigene Kosten – und das in ihrer eigenen Arbeitszeit. Schlimmer allerdings ist das Kopieren von Primär- und Sekundärquellen in der UB sowie in den Institutsbibliotheken. Wie oft wurden die Bestände der historischen Bibliothek von Generationen Studierender bereits durch die Kopierer gejagt? Schlange stehen vor den Geräten gehört hier zu den prägendsten Erfahrungen. Die Quelle im Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeit bedeutet für die meisten Studierenden, Recherche als Demutsakt vor den Schreinen der Elektrofotographie. Bereits beim zweiten Mal wird hier nichts Neues hinzugelernt. Schade um die schöne Lebenszeit.
Immerhin gab es im Handling wenige Probleme. Zwar waren immer wieder mal einige Kopiergeräte defekt, aber mit einer Kopierkarte, die über genügend Guthaben verfügte, konnte man so viel fotokopieren, wie man wollte. Ärgerlich nur, wenn kurz vor den letzten Seiten das Guthaben zur Neige ging. Aber geschenkt – so viel Stress darf sein. Nun soll alles noch besser werden. Denn die Guthaben können ja neuerdings auf dem Ausweis verbucht werden. Das Ziel „Eine Karte für Alles“ rückt in greifbare Nähe. Doch leider kommt es nun zu unerwarteten Kompatibilitätsproblemen zwischen Chip und Kopiergerät. BesitzerInnen neuerer Studi-Ausweise sind derzeit gut beraten, auf das Angebot zu verzichten, denn die Kopiergeräte können den Chip nicht lesen. Ein Problem, das behoben werden soll. Nur wann? Was nutzt heute ein gespeichertes Guthaben in Höhe von zehn Euro, dessen potentielle Einlösung in ferner Zukunft liegt? Doch auch die Studierendenausweise mit den alten Chips haben ihre Tücken. In der germanistischen Institutsbibliothek verweigern beide Kopiergeräte die Kooperation. Warum? Die Frage bleibt von der zuständigen Bibliothekskraft unbeantwortet. Genervt blickt sie von ihrer Bild-Zeitung auf und verweist in die 6. Etage. Dort stehe ein Kopiergerät, das die Ausweise akzeptiere. Nun hat sich vor dem Gerät auf Etage 6 naturgemäß eine lange Warteschlange gebildet, geschätzte Wartezeit: eine potentielle Arbeitsstunde, wirtschaftlicher Schaden auf ganz Deutschland hochgerechnet: 16 Milliarden Euro im Jahr. Das kann keine Lösung sein. Nochmals muss die Lektüre der Bild-Zeitung gestört werden. Ob es denn keine andere Lösung gäbe als eine Stunde zu warten, will man erfahren. Natürlich, räumt die Bibliothekskraft ein. Man könne auch das Buch kurz ausleihen und gegen Bargeld im Copyshop kopieren. Der dafür eingeforderte Pfand: der Studierendenausweis. Aha.
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