Stolz verkündete der kursleitende Professor (kein Scherz – er ist wirklich Prof), er habe sich nun endlich auch ein solches Profil erstellt und sei total begeistert von diesem Auswuchs des Web 2.0. Warum sollte auch das BlackBoard verwendet werden, für das die Verwaltung Unmengen unserer Studiengebühren ausgegeben hat, wenn es eine kostenlose Internet-Plattform gibt, die sich nur durch Werbung und den Verkauf unserer Daten finanzieren kann? Wer wollte nicht schon immer mit der Bestätigung des mulmigen Gefühls im Hörsaal sitzen, dass irgendwo im gleichen Raum Mitglieder einer Gruppe wie „Antifa ? NEIN DANKE !!!“ oder „Ich hab nix gegen Ausländer, aber… “ sind?

Da die StudiVZ-Gruppe zur Vorlesung „offen“ ist, sich also jede/-r eintragen und mitlesen kann, können wir jedem/-r nur wärmstens empfehlen, einen Blick hineinzuwerfen. Oder interessiert es euch etwa nicht, ob eure KommilitonInnen zu blöd sind, sich im VSPL für einen Kurs einzutragen oder „von der heutigen Vorlesung nicht viel mitgekriegt ;-)“ haben? Eine einzige wirklich erfreuliche Information ist allerdings aus dieser Innovation bereits erwachsen: Ein besonders mitteilungsbedürftiger Mitstudent schrieb, dass die Anwesenheitsliste, der heilige Gral aller CP-JägerInnen, früher in jeder Sitzung „gezockt“ worden sei – natürlich nicht von ihm.

Auf die Nachfrage, was denn die Leute tun sollen, die keinen StudiVZ-Account haben (nein ernsthaft, auch diese Spezies ist noch nicht ganz ausgestorben, auch wenn die Autorin dachte, die Letzte ihrer Art zu sein), erfolgte die Antwort, sie sollten sich eben einen zulegen. Das hat schließlich auch der betont jung gebliebene Professor geschafft, in dessen Profil vielleicht bald auch die oben erwähnten Bilder von Saufgelagen aus seiner Studentenzeit zu finden sein werden.

Die eigentliche Ironie an der Verwendung des StudiVZ als Diskussionsplattform für eine reguläre Uni-Veranstaltung liegt jedoch in der Argumentation für diese Neuerung: Ausgerechnet jene Online-Community, die regelmäßig Schlagzeilen wegen der Missachtung des Datenschutzes schreibt, wurde in der Vorlesung als die „anonymere“ Alternative zum BlackBoard bezeichnet. Dies lässt nur zwei Schlüsse zu: Entweder ist das BlackBoard noch unsicherer, als man erwarten sollte, oder der bereits erwähnte Professor ist nicht mehr so up to date, wie er den Anschein zu erwecken sucht.

Veronika Pütz ist stellvertretende AStA-Vorsitzende und Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

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