Ja, du hast ja Recht, liebe Kulturhauptstadt – in der Krise müssen wir alle bluten. Ist ja auch nur angemessen, dass deine große Eröffnungs-Sause in der Arena auf Schalke dem Rotstift zum Opfer gefallen ist. Stattdessen können wir jetzt auf der Zeche Zollverein feiern – über Tage, versteht sich. Die geplante „Menschenbilder“-Ausstellung in der Villa Hügel fällt ebenfalls aus, von anderen gescheiterten Projekten wie der „Welt der Religionen“ im Gasometer Oberhausen redet inzwischen sowieso kaum noch jemand. In Bochum gibt’s kein Konzerthaus und auch keinen Kammermusiksaal in der Marienkirche, und der „Platz des europäischen Versprechens“ bleibt anders als ursprünglich geplant ein schnöder Asphaltflecken.
Was also tun, bei so vielen gescheiterten Projekten? Schließlich werden mehrere Millionen Gäste erwartet. Der Essener Oberbürgermeister Reinhard Paß hat da eine gute Idee: Eine Kurtaxe für das Ruhrgebiet, also eine Sondersteuer für alle TouristInnen, die hier im Kulturhauptstadtjahr übernachten wollen. Wenn die Zusatzabgabe nur abschreckend genug ist, vielleicht kriegt dann ja keiner mit, was alles schief gegangen ist.
Gerüchten zufolge hecken derweil besonders pfiffige Geister der Ruhr.2010 GmbH viel weitergehende Vorschläge aus: Wie wäre es, wenn man die A40 nicht nur einen Tag lang sperrte, um dort 20.000 Biertische aufzubauen, sondern dauerhaft? Und wenn man zusätzlich alle anderen Ruhrgebiets-Autobahnen unter dem Titel „Fakir.2010“ mit einer großflächigen Nagelbrett-Installation versehen würde? Die Oberleitungen der Ruhrgebietsbahnhöfe könnten im Rahmen einer Kunstaktion namens „Der Funke springt über“ effektiv kurzgeschlossen werden, und auf dem Dortmunder Flughafen könnten große Sperrfeuer das Landen von AugenzeugInnen wirkungsvoll verhindern. Ruhr.2010-Chef Fritz Pleitgen und sein Vize Oliver Scheytt könnten sich derweil per ÖPNV in Richtung Istanbul oder ins ungarische Pécs absetzen, um dort kulturpolitisches Asyl zu beantragen. Anschließend müssten dann wohl oder übel auch die Busse und U-Bahnen dran glauben. Dann wird es ruhig im Ruhrgebiet – und wir schwingen uns aufs Fahrrad, um zum Essener Hauptbahnhof zu fahren. Denn dort können wir wenigstens noch eine Flasche Korn kaufen. Prost.2010!
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