Als die erste Straßenbahn Europas 1839 ihren Betrieb aufnahm, konnte noch niemand wissen, dass man damit die Büchse der Pandora in die Luft gesprengt hatte. Bei den verkehrsbetrieblichen Partnern der Uni könnte der Bumerang schließlich angekommen sein. Da helfen auch keine Kultur-Events mehr. Oder warum präsentiert die Bogestra am 29. Januar 2010 gemeinsam mit dem Musiktheater im Revier den Klassiker „My Fair Lady“, während wahrscheinlich die Seuche tobt und gleichsam getobt haben wird? Der Vorverkauf hat bereits begonnen. Warum? Weil man bezweifelt, dass es eine jemals Abendkasse geben wird? Das ist doch alles höchst verdächtig.
In der Rhein-Ruhr-Region verläuft von Witten-Heven nach Tönisvorst die längste Strecke, die man innerhalb von Deutschland ausschließlich mit Straßenbahnen und Stadtbahnen zurücklegen kann. Der Tod lauert überall. War das jetzt das Rot ihres Nagellackes, der soeben am äußersten linken Sehfeld vorbeihuschte, oder hat die Kommilitonin gerade wirklich Blut in ihr Taschentuch gehustet? Fragen, die das Warten in Frage stellen, zusammengepfercht zwischen potentiellen VirusträgerInnen, die ja ebenfalls hier nichts zu pferchen haben, sondern schleunigst in ein Krankenhaus sollten. Der Bahnfahrer jedoch will sich auch am Doomsday nicht um seinen Spaß bringen lassen und bremst kurz vor der Marktstraße so ruckartig, dass ein ungelenkes Ineinanderfallen der Fahrgäste den Spielraum für unbeabsichtigte Tröpfchen-Infektionen um ein Beachtliches erweitert. Niemand wird ihm jemals eine böse Absicht nachweisen können…
Doch sollte man nicht in Panik verfallen, raten die Experten. Lösungen sind bereits vorhanden: Warum nicht den Vertrag für das Studi-Ticket kündigen? Mit den Millionen, die man allein im ersten Semester einsparen würde, könnte man locker eine kleine Buslinie gründen. So teuer sind Busse ja auch nun wieder nicht. Gleichsam würden sämtliche Personalkosten entfallen: Führerscheine werden demnächst im Optionalbereich angeboten, und für zweihundert Kilometer Fahrgastbeförderung gibt es künftig einen Creditpoint. Alles ist möglich: Shuttles bis nach Osnabrück, Taxiagenturen Richtung Kirchhellen, Hubschrauberplätze könnten angelegt werden, Flugzeuge gebaut. Natürlich könnte das Ganze auch kommerzialisiert werden, mit Pächtern und so. Dann mit den Studiengebühren im Rücken an die Börse, Prestige durch Kultur-Events, Fünf-Minuten-Taktung: Zahlen, Daten, Fakten. Es wäre ein bisschen so, wie in den besseren Songs der Pet Shop Boys. Nur wenn sich die Studierenden bei der nächsten Pandemie-Hysterie erneut in der Bahn eingepfercht wiederfinden sollten, nur dann wäre irgendetwas falsch gelaufen. Bis dahin gilt: Händewaschen nicht vergessen!
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