Bild: #DenizFree: Die anderen inhaftierten JournalistInnen dürfen nicht vergessen werden., #DenizFree – #FreeThemAll Bild: juma

Kommentar. In der Türkei sitzen über 150 JournalistInnen in Haft. Ihr Vergehen? Sie haben ihren Job gemacht. Deniz Yücel war einer von ihnen, nun ist er wieder in Freiheit, aber die Pressefreiheit ist damit noch lange nicht wiederhergestellt.

Der Journalist Deniz Yücel wurde – vermutlich unfreiwillig – zur Galionsfigur der Pressefreiheit in der Türkei. Am 14. Februar 2017 wurde er inhaftiert, am 16. Februar 2018 konnte er das Gefängnis verlassen. Der Vorwurf gegen ihn: Terrorpropaganda. Die Tat: Journalismus. Yücel, Sohn eines türkischen Arbeitsmigranten und Inhaber der deutschen und türkischen Staatsbürgerschaft, ist nicht dafür bekannt, ein Blatt vor den Mund zu nehmen, viel mehr dafür, mit Zigarette unterm gewaltigen Schnauzbart oftmals unangenehme Texte zu verfassen, den Finger in die Wunde zu legen, die richtigen Fragen zu stellen und unbequem zu sein. Yücel ist ein großartiger Journalist. Genau das wurde ihm zum Verhängnis. In der Türkei wird nach dem misslungenen Putsch Kritik am Regime unter Scheinsultan Erdoğan nicht geduldet. Deniz Yücel ist einer der vielen JournalistInnen, die dies am eigenen Leib erfahren mussten. Die Begründungen für ihre Inhaftierungen lautet stets ähnlich: Terrorpropaganda, wahlweise für die PKK oder für die Gülen-Bewegung. Eine fadenschenige Begründung. Die eigentliche Intention der AKP-Richter: jede kritische Stimme, die es wagt, das türkische Regime zu kritisieren, zum Schweigen zu bringen, derer man habhaft werden kann.

Die deutsche Rolle

Das Verhalten der deutschen Regierung ist beschämend, das ständige Hofieren Sigmar Gabriels bei seinem Amtskollegen Çavuşoğlu, Ministerpräsidenten Yıldırım oder wahlweise beim Diktator persönlich ist kaum auszuhalten. Dass Yücel selbst befürchtete, als Austausch gegen deutsche Panzer genutzt zu werden und einen solchen Tauschhandel noch im vergangenen Monat ablehnte, sollte eine Mahnung sein. Der Bundesregierung geht es nicht um Pressefreiheit, nicht darum, Menschenrechte in der Türkei zu verteidigen. Hinter den leeren Worthülsen aus Berlin steckt Kalkül. Man will sich den Alleinherrscher am Bosporus nicht zum Feind machen. Viel zu nützlich ist er bei den Bestrebungen Asylsuchende nicht auf europäischen Boden zu lassen, viel zu verführerisch ist das Geld für die deutsche Rüstungsindustrie. Was ist dagegen schon die Freiheit eines der besten deutschen Journalisten? Was ist dagegen die Freiheit all der JournalistInnen, die in der Türkei in Haft sitzen oder ermordet wurden, weil sie ihren Job gemacht haben? Viel wertvoller erscheinen die warmen Worte der türkischen Politik, die eine baldige Verbesserung der Lage versprechen.

Einer von vielen

Deniz Yücels Inhaftierung ist ein Skandal, doch keiner, der seinesgleichen sucht. In der Türkei befinden sich laut Recherchen von Zeit Online momentan mindestens 156 JournalistInnen in Haft, viele von ihnen wurden bereits zu teilweise lebenslangen Haftstrafen verurteilt, oft mit fadenscheinigen Begründungen oder in regelrechten Schauprozessen. Es ist zwar erfreulich, wenn in den sozialen Netzwerken immer und immer wieder der Hashtag „FreeDeniz“ zu lesen war, doch das ist nicht einmal die halbe Wahrheit. Die Parole muss lauten: Free them all. Und sie muss überall erklingen, nicht nur in Deutschland und der Türkei. Journalismus ist kein Verbrechen, egal wie kritisch und unbequem er ist. Journalismus ist ein Menschenrecht und seine Ausübung muss überall gewährleistet werden. Denn erst ist die Presse nicht mehr frei, dann sind wir es alle nicht mehr.           

:Justinian L. Mantoan

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