„Aha“, war erst einmal alles, was der Student K. angesichts seines im Bereich Wirtschaftskriminalität vollkommen reinen Gewissens hervorbringen mochte. Der Kundenberater half dem Verständnislosen schnell auf die Sprünge: „Haben Sie in letzter Zeit eine größere Überweisung getätigt?“ Ihm war fälschlicherweise ein nicht unerheblicher Geldbetrag zugewiesen worden, der zwecks der Bezahlung einer horrenden Arztrechnung eigentlich seiner Mutter zugestanden hätte. „Und was haben Sie da als Verwendungszweck eingetragen?“ hakte der Kundenbetreuer mit strenger Stimme nach. Jetzt wurde Horatius das Bizarre der Situation schlagartig klar. Dementsprechend vergnügt antwortete er wahrheitsgemäß: „Orthopädenmafia-Schutzgeld“. Was auch sonst? Der Orthopäde hatte schließlich mittels aller irgendmöglichen Untersuchungsmethoden und der Mithilfe mehrerer alliierter Kollegen eine Rechnung über 1.500 Euro produziert: für eine verspannte Schulter. Als Kommentar zu diesem orthopädischen Possenspiel hatte Horatius K. sich für eine humorige Betreffzeile entschieden – und damit den Verdacht der Wirtschaftskriminalität auf sich gezogen. In der zuständigen Abteilung werden nämlich elektronische Überweisungen nach verdächtigen Verwendungszwecken gescannt. „Worte wie Schutzgeld und Mafia kommen da nicht so gut an“, klärte der Kundenberater auf. Ebenso verhält es sich wahrscheinlich mit den Ausdrücken „Bombenmaterial“ oder „Islamistencamp-Teilnahmegebühr“. Er – der Kundenberater –Â sei jedenfalls dazu aufgefordert, Herrn K. offiziell zu rügen und ihm für die Zukunft zu untersagen, derartige Betreffzeilen zu verwenden. Dann beruhigte er Horatius noch mit den Worten: „Ich habe denen bereits gesagt, dass ich Sie und Ihre Mutter persönlich kenne und ich sicher bin, dass Sie nicht in Mafiageschäfte verwickelt sind“. Horatius K. bedankte sich für dieses nette Engagement und teilte dem Berater abschließend mit, dass er die Abteilung für Wirtschaftskriminalität für einen Haufen Vollidioten hielte.

Abgesehen davon, dass diese kleine Episode einen Einblick in die allgegenwärtige elektronische Überwachung des Alltags gibt, wirft sie auch ein seltsames Licht auf die Vorstellungen der ErmittlerInnen: Wären Horatius und seine Mutter nämlich tatsächlich Mafiosi, hätten sie sicherlich eine andere Betreffzeile gewählt. Man stellt sich ja auch nicht vor eine Bank, verkündet Namen und Adresse und fängt dann mit Überfallen an.
Noch spannender ist allerdings die Frage: Reagierten die Wachhunde so empfindlich, weil es die Orthopädenmafia TATSÄCHLICH gibt? Hat Horatius K. unwissentlich in ein kriminelles Wespennest gestochen, dessen verschwörerische Ausmaße gar nicht abzusehen sind? Angesichts seiner jüngsten Erfahrungen mit der knochenverrenkenden Zunft würde ihn das wenig wundern. Die bsz bleibt dran…

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