Mit ihrem dritten Album So Close to What schlägt Tate McRae ein ganz neues Kapitel auf – eines, das nicht nur musikalisch, sondern auch visuell selbstbewusster wirkt. Während ihr vorheriges Album ThinkLaternoch jugendlich-draufgängerisch daherkam, präsentiert sich McRae nun reifer, sinnlicher und provokanter. Sie lässt wortwörtlich die Hüllen fallen. Die Frage dabei ist nur: Wirkt es eher wie künstlerische Weiterentwicklung oder wie ein kalkulierter Imagewechsel?

Noch in ihrem letzten Album inszenierte man die Kanadierin als sportliches „Hockey Girl“, eine Identität, die aufgrund ihrer Heimat zwar irgendwie authentisch wirkte, aber nicht wirklich zu greifen war. Hockey ist eine beliebte Sportart, aber transportierte in Tate McRaes Fall nur wenig Persönlichkeit. Mit So Close to What ist dieser Versuch nun scheinbar endgültig beendet worden. Jetzt setzt man auf knappe Outfits, intensive Blicke in die Kamera und einen Sound, der an den Girl Pop der frühen 2000er erinnert. Online-Vergleiche mit Britney Spears sind keine Seltenheit – wie Spears liefert McRae freilich ein Gesamtpaket aus Tanz, Gesang und makelloser Inszenierung. Doch während Britney Spears am Höhepunkt ihrer Karriere als Pop-Persona vollkommen aufging, bleibt McRae oft an der Oberfläche. So singt sie in PurpleLaceBra: „Vielleicht hört man mir besser zu, wenn ich nackt bin?“  Das klingt schon fast ein bisschen symptomatisch für das Album: Viel Fokus auf Äußeres, weniger auf Inneres.

Dennoch kann man So Close to What nicht vorwerfen, langweilig und eintönig zu sein. Tracks wie bloodonmyhands erinnern an die US-Sängerin SZA und zusätzlich belebt der dynamische Rap von Flo Milli das Stück. Auch das Feature „I know love“ mit The Kid Laroi ist eine gelungene Ergänzung. 

Songs wie Sports Car oder 2 Hands sind überdies eine waschechte Hommage an den R&B-Pop der 2000er und triefen nur so vor expliziter Sinnlichkeit.

Überraschend ehrlich wird es dann doch noch: In means I care singt sie sinngemäß: „Wenn ich dich ghoste, mag ich dich am meisten.“ Eine Zeile, die auf den ersten Blick toxisch wirkt, aber in der sich viele Hörer:innen wiedererkennen können. Die Singer-Songwriterin versteht es offensichtlich, ihre Generation anzusprechen. Das Problem? Leider bleibt sie dabei oft auf halbem Weg stehen.

Aber ich möchte das Album nicht schlecht reden. Die Tracks sind extrem catchy und machen trotz allem Freude. So Close to What ist zweifellos ein stark produziertes Album, das sie auch als Entertainerin auf ein neues Level hebt! Doch während die Musik per se überzeugt, bleibt für das Album als Ganzes die Frage: Wer ist die echte Tate McRae? Die Lyrics offenbaren wenig über ihre Persönlichkeit, und ihr Imagewechsel wirkt eher wie eine strategische Neuausrichtung — weg von der authentischen Teenagerin in den 2010er. 

Fans von Mainstream Pop mit R&B-Anleihen werden mit So Close to What Gefallen finden – doch wer auf tiefere Einblicke in das Innere der Künstlerin hofft, wird wahrscheinlich etwas enttäuscht sein. Das Album ist selbstbewusst und catchy, aber hinter all der Fassade bleibt ein Gefühl zurück: Die alte Tate McRae vermisst man ein wenig.

:Levinia Holtz

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